PRAXIS: Es mag etwas ungewohnt sein und kostet schon einige Überwindung und Durchhaltevermögen, aber wer seine eigenen Reaktionen auf das Verhalten anderer, seinen Gefühlen und Bedürfnissen auf die Schliche kommen will, der kann mit dieser Übung mehr Verständnis für sich selbst erreichen. Die beste Voraussetzung, um Verständnis für andere zu haben.
Die Übung entstammt dem Buch „Die neue gewaltfreie Kommunikation“ und geht von der Annahme aus, dass die vier Schritte der GFK weniger eine neue und ungewohnte Form der Kommunikation darstellen als vielmehr eine Anleitung zur Selbstreflexion. Die schriftliche Übung besteht aus acht Schritten, wobei die Reihenfolge eingehalten werden sollte.
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- Schritt: Die Situation. Sie denken an eine Situation, in der Sie sich über jemanden geärgert oder in der Sie verletzt bzw. gekränkt reagiert haben – egal, ob die Situation aktuell ist, inzwischen geklärt oder schon länger her ist. Beschreiben Sie in wenigen Sätzen, was passiert ist.
- Schritt: Bewertungen. Stellen Sie sich noch einmal bildhaft die Situation vor: Wo waren Sie? Wo Ihr Gegenüber? Was wurde gesagt? Nun notieren Sie offen und unzensiert die Gedanken und Bewertungen über die andere Person, auch wenn sie diese nicht ausgesprochen haben.
- Schritt: Gefühle. Notieren Sie, was Sie in der Situation gefühlt haben. Vermutlich werden Ihnen neue Bewertungen einfallen, was völlig in Ordnung ist. Trennen Sie diese von den Gefühlen und fügen Sie sie zu Schritt 2 hinzu. Bleiben Sie solange bei Schritt 3, bis eine gewisse Entspannung eintritt.
- Schritt: Beobachtung. Nun notieren Sie sorgfältig möglichst genau, was tatsächlich passiert ist: Wer hat was gesagt und getan? In etwa so, als sähen Sie ein Video von der Situation.
- Schritt: Bedürfnisse. Gehen Sie jetzt die notierten Gedanken und Bewertungen durch und fragen sich, welche Bedürfnisse hier nicht erfüllt wurden. Was hätten Sie in dem Moment sich gewünscht? Was haben Sie vermisst? Wenn hier neue Bewertungen auftreten, fragen Sie sich, was Sie in dem Moment gebraucht haben und notieren Sie alle Bedürfnisse.
- Schritt: Gefühle spüren. Gehen Sie noch einmal zurück zu Schritt 3 und lesen sich die Gefühle durch. Versuchen Sie, diese körperlich zu spüren: Wo im Körper empfinde ich sie? Und dann schauen Sie noch einmal, welche Bedürfnisse das jeweilige Gefühl ausdrückt: „Was hätte … (mein Gefühl) gebraucht?“
- Schritt: Noch mal Bedürfnisse. Schauen Sie sich jetzt noch einmal die Bedürfnisse in Schritt 5 und 6 an und fragen sich: Wenn alle diese Bedürfnisse erfüllt wären – wie würde sich das anfühlen? Welche anderen, tiefer liegenden Bedürfnisse wären dann noch erfüllt? Bleiben Sie solange bei diesem Schritt, bis Sie innerlich ruhig sind und spüren, dass die wichtigsten Bedürfnisse genannt sind.
- Schritt: Rückschau. Betrachten Sie alle gefundenen Gefühle und Bedürfnisse und gehen zurück in Ihrer Lebensgeschichte: Woher kennen Sie diese? Mit welchen Menschen ging es mir immer so ähnlich oder geht es mir noch so? Gibt es ein Muster, dass sich in ähnlichen oder anderen Situationen wiederholt?
Das mag nicht beim ersten Mal gelingen, aber genau das ist der Sinn der Übung. Wenn Sie diese wiederholen, werden Sie vielleicht „Empathielücken“ auf die Spur kommen, Auslösern, die immer wieder zu ähnlichem Ärger oder Verletzungen führen.
Solche Erinnerungen können uns helfen, mehr Verständnis für die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu gewinnen und entspannter bei ähnlichen Situationen zu reagieren. Es kann aber auch sein, dass wir ganz alte Wunden aufdecken, die Gefühle uns ängstigen oder bedrohen, weil ihre Ursache viel tiefer sitzt. Dann ist es dringend zu empfehlen, sich professionelle, sprich therapeutische Hilfe zu holen.
Nach: Markus Fischer – Die neue gewaltfreie Kommunikation. BusinessVillage 2019. S. 182-185