KRITIK: Eine Warnung vorweg: Erwarten Sie nicht zu viel von dem Thema. Auch wenn es dafür einen Nobelpreis gab – Nudging in der Praxis ist weit davon entfernt, eine „Durchbruch-Innovation“ zu sein. Auf den ersten Blick klingt es ja verlockend: Statt Menschen mühsam zu trainieren, bis sie ein neues Verhalten verinnerlicht haben oder ständig mit Regeln und Ge- bzw. Verboten Verhalten zu lenken, setzen moderne Unternehmen im Silicon Valley angeblich auf die Erkenntnisse des Nobelpreisträgers Richard Thaler und lenken das Verhalten der Mitarbeiter mit kleinen „Stupsern“.
Gemeint ist, dass man die Umgebung so gestaltet, dass sich Menschen „richtig“ verhalten. Mit „richtig“ ist dabei natürlich nicht nur im Sinne des Unternehmens gemeint, sondern auch zu ihrem eigenen Wohl. Man muss sich das so vorstellen, dass z.B. Zigarettenautomaten, wenn sie denn überhaupt noch aufgestellt werden, dort angebracht werden, wo es besonders mühsam ist hinzukommen – ein Beispiel, das nicht aus dem Beitrag der zfo (Nudge Management) stammt. Diese klingen so:
In den Kantinen werden Süßigkeiten und kalorienreiche Getränke so platziert, dass sie schwerer zu erreichen sind als gesunde Lebensmittel. Weil ein „Power Nap“ (der kurze Mittagsschlaf) wichtig für die Leistungsfähigkeit ist, sind gemütliche Betten in Reichweite. Und es gibt Erholungsräume mit netten Sofas, allerdings nicht zu nah am Arbeitsplatz, sonst setzen sich die Mitarbeiter darauf und arbeiten weiter statt kreative Pausen einzulegen. Außerdem gestaltet man die Laufwege so, dass Mitarbeiter sich regelmäßig bewegen müssen. Und weil regelmäßige Mahlzeiten mit ausreichend Glukose wichtig für das Funktionieren des Gehirns sind, sorgen clevere Nudge-Manager dafür, dass es bei Besprechungen gesunde Snacks gibt.
Ich vermute, Sie sind ähnlich beeindruckt wie ich. Auch das Beispiel der digitalen Nudges überrascht nicht sonderlich: Die IT-Abteilung schaltet die automatische Informationsfunktion des Mail-Programms ab, damit Mitarbeiter nicht ständig von den Hinweisen abgelenkt werden.
Wenn all das unter dieses vielbeschworene Nudging fällt, dann gibt es das doch schon seit ewigen Zeiten. Supermärkte sind ganz groß darin, weil sie die Produkte so platzieren, dass die Menschen verführt werden, zuzugreifen. Auch ein toller „Nudge“: Der Zebrastreifen. Er verführt uns dazu, sicher über die Straße zu gelangen.
Ironie beiseite: Natürlich ist es sehr hilfreich sich Gedanken zu machen, wie man die Umgebung gestaltet, damit erwünschtes Verhalten gefördert und unerwünschtes weniger wahrscheinlich wird. Es würde schon extrem helfen, wenn man bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen und -abläufen überlegt, welchen Einfluss beides auf das Verhalten der Menschen hat, statt sich später zu wundern, dass diese so gar nicht wie erhofft handeln.