27. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Sinnkrise

INSPIRATION: Endlich erklärt mir mal jemand, wie sich die Begriffe Vision, Mission und (neuerdings) Purpose zueinander verhalten, und das sogar ziemlich einleuchtend. Da wird klar, warum ein Tabakkonzern durchaus einen „Purpose“ haben kann. Und warum die Suche nach dem Purpose für die Sinnkrise unserer Gesellschaft steht. Außerdem wird mit dem Mythos der Einzigartigkeit aufgeräumt.

Warum Sinnkrise? Wenn Top-Manager von Großbanken (Jamie Dimon von J.P.Morgan) das Gewinnstreben anprangern und Wirtschaftsführer in Davos den Shareholder Value als Unternehmenszweck anzweifeln, dann stimmt ja etwas nicht. Ob sie wirklich erkannt haben, „dass sie nicht mehr an dem Ast sägen dürfen, auf dem sie sitzen“ („Purpose ist kein Gutmenschentum“), möchte ich schon bezweifeln, aber immerhin haben sie das Thema entdeckt.


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Nun gab es alles das ja schon vor vielen Jahren. Da entwickelten Unternehmen plötzlich Vision- und Mission-Statements und ließen sich das einiges kosten. Worin besteht nun der Unterschied zwischen dem Purpose (zu deutsch: Sinn und Zweck) eines Unternehmens und den alten Leitbildern? Timo Meynhardt gibt im Harvard Business Manager ein Interview und differenziert.

Die Unterschiede

Eine Vision ist ein Bild der Zukunft – das Unternehmen beschreibt einen Zustand, den man gerne erreichen möchte z.B. „Wir sind in 5 Jahren DER Spezialist in …“.

Eine Mission ist der Grund für die Existenz eines Unternehmens, z.B. „Wir sorgen für Mobilität“. Hierin steckt der Grund, nämlich dass die Menschheit ein Mobilitätsproblem hat. Es geht grundsätzlich darum, das Problem der Kunden zu lösen.

Ein Purpose erklärt, wofür das alles gut sein soll, und das kann nur das Gemeinwohl sein. Zitat: „Eine Mission wird erst dann zum Purpose, wenn sie einen Gemeinschaftsbezug hat.“ Unternehmen müssen sich also fragen (und fragen lassen), inwieweit sie Nutzen für die Gemeinschaft stiften, und zwar mit dem, was sie im Kern tun. Es ist also nicht damit getan, viel Geld zu verdienen und dann der Gemeinde im Nachbarort einen Sportplatz zu stiften.

Ein Purpose-Statement, das wirklich zünden soll (und damit auch den eigenen Mitarbeiter hilft, sich mit dem Unternehmen zu identifizieren, und auf das, was sie tun, stolz zu sein), enthält also sowohl den Grund als auch den gesellschaftlichen Bezug. 

Wenn sich gesellschaftliche Werte ändern

Kann damit ein Rüstungshersteller oder ein Tabakkonzern überhaupt einen Purpose haben? Klar, sagt Meynhardt. Der Rüstungshersteller, der der Armee seines Landes die Ausrüstung zur Verfügung stellt, damit diese das Land schützt, erfüllt den Wunsch nach Sicherheit (wobei es spätestens dann problematisch wird, wenn seine Produkte exportiert werden und in Krisengebieten auftauchen). Ein Tabakhersteller hat zumindest in der Vergangenheit doch sehr zum Genuss beigetragen – Tabakgenuss war ein Kulturgut, hoch geschätzt und sehr gemeinschaftsfördernd. Was sich gerade ändert, also werden sich auch die Tabakkonzerne ändern müssen, wenn sie denn überleben wollen.

Wie sieht nun ein gut formulierter Purpose aus? Der beste sei der von der Bundeswehr formulierte: „Wir.Dienen.Deutschland“. Ich tue mich etwas schwer, hier die Mission, den Grund, zu erkennen (es fehlt vielleicht „in einer unsicheren Welt“). Und die Bayer-Formel „Science for a Better Life“ war mal ein Mission-Statement. So ganz klappt das nicht mit der Trennung von Purpose und Mission …

Von wegen einzigartig

Wirklich erhellend und wohltuend: Meynhardt räumt auf mit dem Quatsch der Einzigartigkeit, von wegen: Jedes Unternehmen muss einen einzigartigen und unverwechselbaren Zweck formulieren können. Und den sollte auch jeder Mitarbeiter kennen. „Die Suche nach dem Einzigartigen ist eine Krankheit unserer Zeit. Sie ist nicht notwendig.“ Warum sollten zwei Wettbewerber nicht den gleichen Zweck haben? Worin besteht der Unterschied im Purpose von Aldi, Lidl und Penny?

So wie Menschen einzigartig sind, sind es sicher auch Organisationen. Aber so wie Menschen ein und derselben Sache dienen können, können das auch Unternehmen. Die krampfhafte Suche nach dem unverwechselbaren Vision- und Mission-Statement kann man also begraben.

Nur sollte man dann nicht im gleichen Heft den Beitrag der Amerikaner Blount und Leinwand lesen (Warum sind wir hier?). Sie sehen ebenfalls eine Sinnkrise. Aber suchen den Sinn des Unternehmens nicht im Gemeinwohl, sondern einzig und allen beim Kunden (außer natürlich bei sozialen Einrichtungen). Und für diesen müssen sie eine einzigartige Leistung erbringen, müssen unverwechselbar sein. Da sieht man den Unterschied der Kulturen. Meynhardt sieht eine Krise des Kapitalismus und betont den Wert der sozialen Marktwirtschaft. Für die Amerikaner steht der Kunde im Mittelpunkt. Und bei ihnen sollte sich der Purpose von dem eines Konkurrenzunternehmens unterscheiden. Von Gemeinschaft keine Spur.

In einem Punkt aber sind sich beide einig: Ein formulierter Purpose, ohne diesen auch intern zu leben, verkommt zur wertlosen Hülle und führt zu Zynismus. Kennt man von den Leitbildprozessen zur Genüge. Oder?

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