INSPIRATION: Berater dürften diese Aufträge nur zu gut kennen: Im Rahmen einer Neuausrichtung soll bei allen Mitarbeitern der Wert „Kundenorientierung“ implementiert werden. Oder Qualität, Unternehmertum, oder was auch immer. Aber von außen geforderte Veränderungen des „Mindsets“ sind ein Mythos.
Warum man nicht mal so eben neue Werte „implementieren“ kann, wird in dem Beitrag der managerSeminare ziemlich anschaulich erläutert (Verstehen vor Verändern).
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- Alle Menschen haben ein begrenztes Spektrum an verfügbaren Verhaltensweisen und Einstellungen, und diese sind ziemlich früh festgelegt. Außerhalb dieser Bandbreite wird es schwer bis unmöglich, neues Verhalten zu „etablieren“. Das lehrt uns auch die Hirnforschung. Als Bild dient die Autobahn: Wir bewegen uns auf einer mehr oder weniger breiten Fahrspur, die Leitplanken markieren deren Grenzen.
- Dass Menschen sich so verhalten, wie sie sich verhalten, hat einen guten Grund. Wenn nun Manager (oder Berater) daherkommen und fordern: „Ändere dich, sei kundenorientierter!“, dann wird das als eine „Entwertung der Vergangenheit“ empfunden. Oder mehr noch, als „Angriff auf ihr Arbeitsethos,“ nach dem Motto: „Das, was Ihr bisher gemacht habt, war falsch!“
- Um welchen Wert es auch immer geht: Jeder Begriff ist „weder universell noch selbsterklärend.“ Sondern beinhaltet je nach Verständnis sehr unterschiedliche Sichtweisen. Kundenorientiert kann derjenige sein, der höflich, freundlich und verständnisvoll auf die Bedürnisse der Kunden eingeht. Aber auch derjenige, der sachlich, nüchtern und zügig die Anfragen beantwortet. Und jeder interpretiert ihn so, wie es zu seiner „Spur“ (siehe oben) passt. Denn jeder hat seine „Lieblingsspur“, auf der er sich wohlfühlt.
Erst einmal: verstehen wollen
Wenn nun eine Unternehmensleitung tatsächlich eine Veränderung im Verhalten ihrer Mitarbeiter erreichen will, dann funktioniert das wohl kaum mit Hilfe von Botschaften, Workshops, Kommunikationskampagnen, Plakaten, „Herunterkaskadieren“ und Leitlinien. Vor einer Veränderung steht, so die Autoren in der managerSeminare, das „Verstehen.“ Gemeint ist, dass Führungskräfte erkennen müssen, wie es um die „Bandbreiten“ ihrer Mitarbeiter bestellt ist. Und dann schauen, ob es da noch Dinge gibt, die die Mitarbeiter bisher gar nicht zeigen konnten. Also nicht darüber nachdenken, was die Mitarbeiter anders machen sollen. Sondern über welche Fähigkeiten und Fertigkeiten sie vielleicht außer den in ihrer derzeitigen Tätigkeit gezeigten noch verfügen.
Klingt höchst anspruchsvoll, wir sind mal wieder bei der Forderung an den Psychologen in jeder Führungskraft. Aber so lautet gar nicht die Lösung der Autoren. Auch sie erkennen, dass es für viele Führungskräfte gar nicht realistisch ist,„sich mit den jeweils individuellen Bandbreiten der Mitarbeitenden zu befassen.“ Ihr Ansatz – der natürlich nicht wirklich neu ist – lautet: Helft den Mitarbeitern, hin und wieder mal die Spur zu wechseln oder ladet sie zum Spurwechsel ein.
Bessere Ideen als Appelle
Also wenn man möchte, dass sich Mitarbeiter anders in Sachen Kundenorientierung verhalten, dann könnte man zum Beispiel wechselseitige Hospitationen anstoßen – immer freiwillig natürlich, nur „anstupsen“. Oder man schreibt Projektrollen offen aus und ermuntert Mitarbeiter, sich hierauf zu bewerben. Das sind zwei Beispiele, die in dem Beitrag genannt werden.
Ich kann mich an viel weniger spektakuläre Situationen erinnern. Wo Führungskräfte ihre Mitarbeiter einfach mal zu Meetings mitgenommen haben, an denen sonst nur die „Chefs“ teilnahmen, z.B. zu Themen, an denen sie gerade arbeiteten. Und sich dann plötzlich alle wunderten, dass dieser Mitarbeiter tatsächlich eigene Ideen hatte. Oder dass für eine Stelle im Ausland kein einziger passender Kandidat im eigenen Haus gefunden wurde. Bis diese mal konzernweit ausgeschrieben wurde und dann die Personalmanager staunten, dass es tatsächlich geeignete Bewerber gab.
Wie dieses „Spurwechseln“ bei Veränderungsprojekten helfen soll? Das verraten die Autoren nicht konkret, aber vielleicht liegt der Denkfehler ja schon im Ansatz: Statt zu sagen: Werdet mal alle kundenorientierter, könnte man ja erklären, was das vermeintliche Problem ist und dann interessierte Kandidaten einladen, sich darum zu kümmern. Wäre spannend zu erleben, wie viele diese Einladung zum Spurwechsel annehmen.