PRAXIS: Uns sind in der Regel Antworten lieber als Fragen. Aber „wer die Antwort schon zu kennen scheint, kann keine neuen Wege finden.“ Wie wäre es, ein Projekt mit einem „Traumkreis“ zu beginnen? Das klingt nach Esoterik und trifft vermutlich in Wirtschaftsunternehmen eher auf Skepsis. Schließlich zählen hier harte Fakten und keine Träume. Ich versuche es trotzdem mal und bitte Sie, sich erst am Ende eine Meinung zu bilden.
Die Idee ist vertraut: Vom Ende her denken. Ob man ein Projekt allein angeht oder mit vielen anderen – der Einstieg erfolgt über die „generative Frage„, die sinngemäß so lautet: „Wie muss ein Projekt im Zeitraum x für mich sein bzw. was muss darin passiert sein, damit ich sage: Besser als mit diesem Projekt und diesen Menschen hätte ich meine Zeit nicht verbringen können?„
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Ablauf eines Traumkreises
In einem Projektteam könnte der Ablauf eines Traumkreises dann so ausschauen:
- Festlegen des Teilnehmerkreises: Ideal sind vier bis acht Personen. Sind mehr Menschen an einem Projekt beteiligt, wird die Gruppe entsprechend aufgeteilt. Ein angenehmer Ort und ausreichend Zeit sind wichtig, das kann je nach Projekt eine bis mehrere Stunden in Anspruch nehmen.
- Die Sitzanordnung ist ein Stuhlkreis, ein handlicher Gegenstand (Redestein) liegt bereit, wer ihn in der Hand hält, erzählt seinen Traum.
- Es sollte eine vertrauensvolle Atmosphäre herrschen. Kennen sich die Teilnehmer noch nicht, wird eine Vorstellungsrunde vorgeschaltet. Gibt es Spannungen oder Unklarheiten, werden diese vorher angesprochen.
- Das Projekt wird vorgestellt, Verständnisfragen werden geklärt.
- Gemeinsam wird der Zeitraum für das Projekt geklärt, dann wird die generative Frage gestellt (s.o.)
- Wer den Redestein hält, beginnt und erzählt einen Traum, aber nur einen. Dann reicht er den Stein weiter. Träume können inhaltlicher, fachlicher, persönlicher oder organisatorischer Art sein.
- Jeder Traum wird in einem Satz, der die Essenz enthält, für alle sichtbar notiert mit Nennung des „Träumers“. Das übernimmt entweder ein Mitglied für alle oder jeder schreibt ihn selbst auf. Wichtig ist, dass vor dem Aufschreiben mit dem „Träumenden“ geklärt wird, ob der zusammenfassende Satz zutrifft.
- Wenn der Stein einmal im Kreis gewandert ist, geht es weiter, bis alle Träume genannt sind. Wer keinen weiteren Beitrag hat, reicht ihn weiter. Wird ein Traum erneut erwähnt, kann der Name einfach zum bereits notierten Satz hinzugefügt werden. Der Kreis ist beendet, wenn keine neuen Träume mehr genannt werden oder die Teilnehmer anfangen, nur noch Details zu ergänzen.
- Zum Abschluss liest jeder seine Träume abwechselnd noch einmal vor, und zwar so, als habe sich der Traum schon erfüllt. Das Ergebnis wird gemeinsam gefeiert. Gibt es mehrere Gruppen, ist es wichtig, dass alle die Träume der anderen erfahren. Bei bis zu vier Traumkreisen klappt das noch mit dem gemeinsamen Vorlesen. Sind es mehr, bietet sich an, die Dokumente in einem Raum auszustellen, dann gehen alle herum und lesen sich die Träume der anderen durch. Je Traumkreis kann auch ein Teilnehmer bereit stehen, um Fragen zu beantworten.
Bei ganz großen Gruppen bietet sich an, sie digital allen zur Verfügung zu stellen.
Wie gesagt: Klassische Projektgruppen werden vermutlich mehr als irritiert sein, würde der Projektleiter einen „Traumkreis“ vorschlagen. Aber ich finde, es ist einen Versuch wert. Die Energie, die entsteht, wenn man erfährt, was alles möglich sein könnte, täte jedem Projekt gut.
(aus: Ilona Koglin / Julia Kommerell: Das Dragon Dreaming Playbook. S. 62-64)