PRAXIS: Die Frage stellt man sich wirklich öfter: Warum bleiben Menschen in einem Job, der ihnen nicht gut tut? Warum halten sie an einem Arbeitgeber fest, über den sie sich ständig beklagen? Selbst in Zeiten, in denen es schwer war, eine neue Stelle zu finden, war das manchmal schwierig zu verstehen, aber heute, wo Unternehmen händeringend Personal suchen?
Angeblich denken so viele Menschen wie noch nie darüber nach, zu kündigen, das zeigen alle möglichen Umfragen (Ich wär dann mal weg). Angst spielt wohl eine Rolle, wirklich wechselt am Ende laut einer Erhebung einer Krankenkasse wohl nur die Hälfte der Frustrierten – was ich noch für hochgegriffen halte. Die Angst vor der tiefgreifenden Veränderung spielt eine Rolle – am alten Arbeitsplatz wissen wir, was wir haben, selbst wenn es das Grauen ist. Das könnte beim nächsten noch schlimmer sein.
Anzeige:
Die Arbeitswelt braucht agile Coachs, um Selbstorganisation, Innovation und neues Rollenverständnis zu implementieren. Die Neuerscheinung „Agiler Coach: Skills und Tools“ liefert für jeden agilen Coach eine beeindruckende Bandbreite an Grundlagen, Methoden und Werkzeugen für die Team- und Mitarbeiterentwicklung im agilen Arbeitsalltag. Zum Buch...
Dazu kommt, dass unser Beruf, unsere Tätigkeit stark mit unserer eigenen Identität zusammen hängt. „Wer ihn aufgibt, stellt ein Stück weit sich selbst in Frage.“ Dabei treten Gefühle wie Schuld oder Scham auf oder das Gefühl, gescheitert zu sein. Ich erinnere mich, dass ich nach meiner Entscheidung, meinen langjährigen Arbeitgeber zu verlassen, mit der Äußerung einer Führungskraft aus einem anderen Konzern angesprochen wurde mit der Bemerkung, dass ich dem Wettbewerb wohl nicht gewachsen sei. Hat mich kurz ins Grübeln gebracht.
Verlustängste
Mit einem Arbeitgeber verlässt man aber noch viel mehr, z.B. die Kollegen, eine vertraute Umgebung, lieb gewonnene Gewohnheiten. Es ist wie bei jeder Trennung – ob von Gegenständen, Orten oder Menschen. Zu wissen, dass etwas damit unwiderruflich vorbei ist, fühlt sich nicht schön an. Zumal, und jetzt kommt ein gravierendes Argument gegen den Wechsel: Im neuen Job steigt die Zufriedenheit in der Regel erst mal an, aber mitunter ist diese Phase nur von kurzer Dauer (Honeymoon-Effekt), dann überwiegen die enttäuschten Erwartungen.
Man weiß es eben nicht, auf der neuen Stelle könnte es nun mal wirklich noch schlechter sein als auf der alten, und dann? Naja, würde man antworten, dann geht man eben wieder. Fühlt sich aber auch nicht gut an, schon klar, was man dann zu hören kriegt: „Du hast zu hohe Erwartungen!“ oder „Du bist für’s Arbeiten wohl nicht gemacht!“
Einen Testballon steigen lassen
Also doch lieber bleiben und sich einrichten, das Beste draus machen oder resignieren, nur noch das Nötigste tun und auf den nächsten Urlaub warten oder gar die Rente? Vielleicht hilft es ja, wenn man einmal einen Testballon steigen lässt, z.B. sich nur aus Neugier woanders bewirbt um zu sehen, wie sich das anfühlt, gefragt zu sein. Für manch einen fühlt sich dieser Schritt schon zu mutig an, dann helfen diese beiden Fragen vielleicht weiter, die für mich neue Einsichten gebracht haben:
- Was müsste sich bei meiner derzeitigen Anstellung ändern, damit ich auf jeden Fall bleibe? Vielleicht haben wir noch nicht alles versucht, die eigene Situation zu verbessern, dann wäre es höchste Zeit, genau hier einmal anzusetzen. Und dann mit dem eigenen Vorgesetzten zu sprechen, manchmal sind erstaunliche Dinge möglich, die wir uns gar nicht vorstellen konnten – gerade in einer Zeit, in der Unternehmen die Mitarbeiter ausgehen. Ich denke z.B. an Homeoffice, Teilzeitarbeit, Weiterbildung, Übernahme neuer Aufgaben oder Abgabe ungeliebter Tätigkeiten usw.
- Was müsste passieren, dass ich auf jeden Fall kündige? Mitunter hilft es sich vorzustellen, was noch alles passieren muss, um den entscheidenden Schritt zu tun. Wenn man sich diese Dinge bewusst macht, stellt man entweder fest, dass es schon schlimm genug ist und es tatsächlich gute Gründe für die Trennung gibt. Oder aber man gelangt zu der Erkenntnis, dass es doch gar nicht so schrecklich ist und man noch nicht bereit für den großen Schritt ist.