PRAXIS: Alles andere als einfach: Wer zu kritisch mit sich selbst ist und sich ständig in Frage stellt, blockiert sich selbst. Wer sich hingegen für unfehlbar hält, entwickelt sich auch nicht weiter. Und fährt irgendwann vor die Wand. Was ist das richtige Maß an Selbstkritik und wie geht man dabei vor? Ein Kommunikationsexperte erklärt uns das in der managerSeminare (Sei streng, aber fair zu dir!). Dabei zeigt sich das Dilemma.
Jeder von uns bewegt sich vermutlich irgendwo auf dem Spektrum zwischen ständiger innerer Nörgelei, die uns lähmt am einen und völliger Abwesenheit von Selbstkritik am anderen Ende der Skala. Dem einen möchte man raten: Sei ein bisschen großzügiger zu dir selbst, lerne, dich selbst „zutreffend zu beurteilen.“ Dem anderen: Komm mal runter von deinem Sockel, schau auch mal auf deine eigenen Fehler und lerne, dich selbst „zutreffend zu beurteilen.“
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Das ist im Grunde die Kernbotschaft des Beitrags. Es geht bei Selbstkritik nicht darum, nach den Schwächen Ausschau zu halten und diese zu eliminieren. Es geht auch nicht um ständige Selbstoptimierung, um eine Bestmarke nach der anderen zu knacken. Sondern um „innere Wahrhaftigkeit.“ Also uns zu sehen, wie wir wirklich sind. Wirklich? Gibt es so etwas?
Vermutlich passt das besser: Uns selbst an unseren eigenen Maßstäben messen. Dazu aber bedarf es erst einmal der Besinnung auf das oder den, der wir sein wollen. Und da fängt das Drama ja schon an: Was ist, wenn wir jemand sein wollen, der wir nie sein werden? Weil uns Grenzen gesetzt sind?
Die richtigen Fragen stellen
Also ist das der nächste Schritt: Erst einmal uns fragen, was wir denn sein möchten. Und dann schauen, wo unsere Grenzen liegen und diese akzeptieren. Was dann noch bleibt, können wir dann mit Geduld und Hartnäckigkeit versuchen „nachzubessern“. Am Beispiel des Klavierspielers: Der Hobbyspieler stolpert immer wieder über eine schwierige Stelle, spielt dann weiter und fängt wieder von vorne an. Der Profi konzentriert sich ganz auf die problematische Stelle und übt sie so lange, bis sie sitzt.
Nimmt man nun das komplette Beispiel, dann prüfe man sich selbst, ob überhaupt Talent und die Fähigkeiten vorhanden sind, um das Stück irgendwann zu beherrschen. Wenn ja, dann lohnt sich das mit dem Üben auch. Und man muss wissen, wann man aufhören sollte. Eben erkennen, dass es Grenzen gibt.
Tja, das ist alles schön und gut, aber wie kriegt man all das über sich selbst raus? Ein Tipp des Autors: Sich selbst durch die Augen der anderen betrachten. Um angemessene Kritik üben zu können, braucht es Distanz. Der nächste Schritt: Andere fragen, und zwar nicht nur die wohlmeinenden Mitmenschen, sondern auch diejenigen, „die keine besondere Sympathie für einen hegen.“ Das dürfte vielen von uns besonders schwer fallen. Stellen Sie sich das mal vor: Da haben sie einen Kollegen, mit dem sie ständig Knatsch haben oder der über sie herzieht. Den sollen sie fragen, welche Schwächen er bei ihnen sieht?
Spannend wäre es allemal. Ich fürchte nur, dass derjenige, der schwer von seinem inneren Nörgler gepeinigt wird, hier noch viel deprimierter aus dem Gespräch hervorgeht – wenn er sich das überhaupt traut. Und der Unfehlbare wird sich kopfschüttelnd abwenden und den Kritiker für völlig inkompetent erklären. Wir „Normalen“ hingegen könnten es ja mal versuchen, letztlich schadet es ja nichts.
Mein Anteil an der Sache
Ich hätte da noch einen anderen Tipp, der mir persönlich manchmal weiter hilft. Wenn etwas nicht gelingt, aber auch, wenn etwas ganz toll läuft, lohnt sich hin und wieder die Frage: „Was hat das mit mir zu tun?“ oder „Was ist mein Anteil daran?“ Bei den Dingen, die nicht gut laufen, neigen wir ja alle dazu, andere oder die Umstände verantwortlich zu machen. Da ist es ganz aufschlussreich zu schauen, ob man nicht doch einen Teil dazu beigetragen hat. Die Frage ist vielleicht noch besser: „Mal angenommen, es liegt nicht ausschließlich am anderen: Was wäre dann eventuell mein Beitrag?“ Und wenn etwas richtig gut gelaufen ist, könnte die Frage ebenfalls lauten: „Was daran ist mein Anteil?“ oder „Wie viel davon habe ich selbst bewirkt und was ist der Anteil der anderen oder des Schicksals oder des Glücks?“
Zuletzt noch ein altbekannter Tipp: Ruhig mal nach außen zugeben, wenn die Selbstkritik ergeben hat, dass man „fehlerhaft“ ist. Man muss sich nicht selbst geißeln und sein Haupt mit Asche bestreuen. Aber gerade dann, wenn man mit Kollegen und Mitarbeitern auf Augenhöhe ist, schadet es dem eigenen Image nicht, hin und wieder einzuräumen, was der eigene Anteil am „Versagen“ war. Damit steigt man in der Achtung der anderen mit großer Wahrscheinlichkeit. Auch wenn es im Moment schmerzt.