27. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Unendliche Spiele

INSPIRATION: Eine Kernfrage: Wozu sind Unternehmen da? Um andere Unternehmen zu bezwingen? Das wäre ein „endliches“ Spiel. So wie Ziele eher zu endlichen Spielen gehören. Tatsächlich aber sollte es um das langfristige Überleben gehen. Unternehmen sind also Teile von unendlichen Spielen. Was sie benötigen, um zu überleben.

Der Bestseller-Autor Simon Sinek beschreibt in der managerSeminare, warum Führungskräfte eine andere „Spielhaltung“ einnehmen sollten (Strategien für die Ewigkeit). Und wie diese Haltung aussehen könnte. Ich schicke mal vorweg, dass mir das alles sehr sympathisch ist, es aber mich nicht durch die Bank überzeugt.


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Zweifellos ist eine „Vision“ von der Art „Wir wollen die Nr. 1 auf dem XY-Gebiet sein“ blödsinnig. Weil schon die Frage, woran man das überhaupt festmachen will, nicht zu beantworten ist. Die Erklärung dafür: Bei endlichen Spielen, wie dies im Sport der Fall ist, gibt es klare Spielregeln und eine feste Kennzahl, die alle akzeptieren und anhand derer die Nr. 1 gekürt wird. Wer sich innerhalb dieser Regeln bewegt und am Ende eines Spiels auf dem ersten Platz steht, hat gewonnen. Anschließend geht das Spiel von vorne los.

Im Wirtschaftsleben aber gibt es keine Spielregeln, auf die sich alle „Spieler“ verständigt haben. Es gibt einige Prinzipien und Gesetze, an die sich alle halten (oder halten sollten). Aber ansonsten kann jeder Teilnehmer seine Spielweise ändern. Es gibt auch keinen Endpunkt, zu dem der Sieger gekürt wird, keine Ziellinie, keine Zahl, die zu erreichen ist, um „der Beste“ zu sein. Jedes Unternehmen könnte das zwar für sich definieren (z.B. Umsatz, Aktienkurs, Gewinn, Anzahl der Mitarbeiter, Niederlassungen etc.), aber wozu soll das gut sein? Die Nr. 1 in etwas zu sein, das man selbst festgelegt hat und bei dem kein anderer mitspielt? Und was ist, wenn man bezüglich der definierten Kennzahl „vorne“ liegt – was ist damit erreicht? Ist dann das Spiel zu Ende? Oder sucht man sich dann ein neues Ziel, um die Nr. 1 zu sein?

Nun könnte man sagen: Lasst sie doch, wenn es ihnen Spaß macht. Das Problem ist nur: Die anderen Mitspieler wird es wenig interessieren. Und wenn sie schlau sind, dann werden sie nicht so tun, als spielten sie ein endliches Spiel, sondern akzeptieren, dass sie Teilnehmer eines unendlichen Spiels sind. Und dessen Sinn ist es, nicht irgendwelche kurzfristigen Ziele zu erreichen, sondern „im Spiel zu bleiben“, „die Organisation so aufzustellen, dass sie fit genug ist, um immer gut mitspielen zu können.“

Fünf Praktiken

Kann man ganz gut bei Sportvereinen beobachten: Wer lediglich versucht, einmal den Titel zu gewinnen und Millionen in neue Spieler investiert, der mag vielleicht dieses eine Ziel erreichen, aber anschließend in der Bedeutungslosigkeit versinken, wenn es nicht gelingt, den Verein langfristig überlebensfähig aufzustellen. Laut Sinek gibt es fünf Praktiken, die genau diese Überlebensfähigkeit fördern.

  1. Eine gerechte Sache. Die Geschichte mit dem Sinn – Unternehmen sollten eine „unendliche Perspektive haben.“ Das kann eben kein kurzfristiger Gewinn sein, der Gedanke wird in dem Beitrag auch nicht weiter ausgeführt. Ich gehe mal davon aus, dass dieser Sinn etwas damit zu tun haben muss, ein „Kundenproblem“ zu lösen – was sonst sollte der Sinn von Unternehmen sein? Der Begriff  „gerechte Sache“ ist da vielleicht etwas hoch gegriffen …
  2. Ein vertrauensvolles Arbeitsumfeld. Unternehmen, die vor allem auf kurzfristige Ziele fokussiert sind, werden auch intern den Fokus in erster Linie auf Leistung und Ergebnisse legen oder gar internen Wettbewerb fördern. Aber Führungskräfte „sind nicht für das Ergebnis verantwortlich, sondern für die Menschen.“ Dazu zählen Dinge wie Unterstützung, Wertschätzung, Fairness und „der Aufbau echter, tragfähiger Beziehungen.“
  3. An würdigen Mitstreitern messen. Ein interessanter Punkt, den Sinek mit einem persönlichen Beispiel erläutert. Er hatte sich eine Zeitlang an einem anderen Berater (Adam Grant) gemessen und wurde von Neidgefühlen heimgesucht. Eine willkürliche Messgröße so wie Unternehmen, die die Nr. 1 werden wollen. Irgendwann äußerte er seine Gefühle und stellte fest, dass sein „Konkurrent“ Ähnliches erlebte. Seine Schlussfolgerung: Statt neidisch auf andere zu schauen und diese „schlagen“ zu wollen, sollte man sich an ihnen orientieren, sich die „würdigen“ Mitstreiter bewusst auswählen und von ihnen lernen.
  4. Existenzielle Flexibilität üben – eben offen zu sein für alle Möglichkeiten, im Spiel zu bleiben.“ Das funktioniert nur, wenn man eben nicht mit aller Macht ein kurzfristiges Ziel erreichen möchte. Im zweiten Fall werden nämlich alle auftretenden Gelegenheiten als Störungen und nicht als Chancen begriffen.
  5. Mut – und hier wird es wahrlich grundsätzlich. Wer z.B. auf Investoren angewiesen ist oder den Kapitalmarkt, der muss schon ziemlich mutig sein, deren Wunsch nach kurzfristiger Rendite zu widerstehen und sich „unendlichkeitsorientiert“ zu verhalten. Interessanter Aspekt: „Investoren verhalten sich nicht wie Besitzer, sondern eher wie Mieter.“ Und diese gehen weniger pfleglich mit dem „Besitz“ um als Eigentümer. Das gilt leider auch für Manager.

Genau der letzte Punkt aber macht die Sache schwierig, oder? Wie kann man als Unternehmer „unendlichkeitsorientiert“ handeln, wenn man am Quartalsergebnis gemessen wird? Oder wenn die Investoren darauf drängen, möglichst schnell Kasse zu machen? Ist das nicht letztlich ein Aufruf für einen Systemwechsel?

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