8. September 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Über Manvising, Generation Snowflake und Statusinkonsistenz

KRITIK: Ist zum Thema „Feedback“ nicht längst alles gesagt? Denke ich eigentlich schon, und dennoch erscheinen immer wieder angeblich „neue“ Erkenntnisse. In diesem Fall stammen sie von einer INSEAD-Professorin, die vom großen Nutzen einer „Feedback-Kultur“ überzeugt ist (Sag’s mir. Aber richtig). Eine solche entsteht aber nicht von selbst, und nicht alle Menschen stellen sich gerne konstruktiver Kritik. Und radikale Offenheit ist auch keine gute Idee (Radikale Ehrlichkeit), es gibt nicht die einzig richtige Art von Feedback.

3 Faktoren, die die Sache kompliziert machen

  1. Kultururelle Unterschiede: Die Amerikaner sind bekannt für ihre offene und direkte Art – aber nur so lange, wie es im positives Feedback geht. Kritik wird eher versteckt, das verwirrt andere. Aber Thailändern ist es noch zu viel, die nämlich nehmen jede negative Äußerung persönlich.
    Tipp, um herauszufinden, wie der andere tickt: Auf Up- und Downgraders achten. Es gibt Kulturen, in denen Menschen der Kritik mehr Nachdruck verleihen durch Verstärker (Upgraders) wie „absolut“, „total“ und „vollkommen“. In anderen geht es eher indirekt zu, da werden Downgraders wie „irgendwie“, „ein bisschen“ oder „vielleicht“ verwendet.
  2. Geschlechtsunterschiede: Männer und Frauen geben gleich viel Feedback – untereinander. Aber Männer tendieren dazu, Frauen viel häufiger ungefragt Rückmeldungen und Ratschläge („Manvising“) zu geben – laut einer Studie fünfmal so häufig wie umgekehrt. Sie glauben, über bessere Fähigkeiten zu verfügen – einfach weil sie ein Mann sind. Das gibt ihnen emotionale Macht.
    Da würde ja schon helfen, wenn man erst mal fragt, ob der oder die andere überhaupt eine Rückmeldung möchte.
    Tipp der Autorin: Zuerst den anderen um Feedback bitten, bevor man es ihm oder ihr zukommen lässt.
  3. Altersunterschiede: Hier geht es mal wieder um Generationen. Junge Leute wollen viel Feedback, während frühere Generationen es nicht gewohnt waren, konkrete Rückmeldungen zu geben. Gleichzeitig hält sich das Gerücht, dass die jüngste Generation überempfindlich ist und sofort in Tränen ausbricht, wenn sie auch nur leicht kritisiert wird (Generation Snowflake). Das aber wurde durch eine Studie von 2019 widerlegt, das Gegenteil ist der Fall.
    Aber ein Problem bleibt: Was, wenn man als jüngere Chefin einen älteren Kollegen kritisiert? Die Situation kommt heute häufiger vor und führt zu „Statusinkonsistenz“. Es schmerzt viel mehr, wenn der jüngere meint, es besser zu wissen.
    Hier hilft es, wenn klare Regeln für das Geben und Nehmen von Feedback aufgestellt werden.

Feedbackkultur

Die Tipps, um eine Feedbackkultur zu fördern? Regelmäßige Feedbackrunden in Teammeetings und regelmäßige Vieraugengespräche einführen und konsequent einhalten, Speed-Dating-Sessions und spezielle 360-Grad-Feedbackrunden, in denen jeder von jedem eine Rückmeldung bekommt. All das erfordert Mut, aber führt dazu, dass man sich daran gewöhnt und es irgendwann zur Normalität wird.


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Ärgerlich, wie hier mal wieder alles durcheinander geschmissen wird. Dass Feedback so gut wie nicht funktioniert, wissen wir längst (Feedback funktioniert nicht). Und doch wollen alle es irgendwie einführen, und ständig wird uns erklärt, wie es denn dann doch klappt. Ich versuche es hier noch einmal, auch wenn es vermutlich wenig hilft: Feedback muss gewollt sein! An einem einfachen Beispiel dargelegt:

Feedback, Kritik oder Beurteilung

Ich spiele Tennis, mein Mitspieler kommt in der Pause zu mir und erklärt mir, was an meinem Aufschlag nicht stimmt. Mein Puls steigt, ich frage mich, für wen er sich hält. Ganz andere Situation: Ich buche ein Training und bitte den Trainer mir zu erklären, was ich an meinem Aufschlag verbessern kann. Ich bin dankbar für jeden Hinweis, der mir weiterhilft. Das übliche Problem: Es wird mal wieder Kritik mit Feedback verwechselt. Oder anders herum: Negatives Feedback = Kritik – Positives Feedback = Lob? Beides Unsinn. Feedback bedeutet, jemandem mitzuteilen, was man wahrgenommen und – oft noch viel spannender – was man dabei empfunden hat. Wobei der immer die Wahl habt, welche Konsequenzen er hieraus ziehen möchte.

Lassen Sie sich nicht ins Bockshorn jagen, wenn hier mal wieder von Studien die Rede ist, dass sich ganz viele Menschen Feedback wünschen. Tun sie nicht. Sie fürchten sich davor – und die meisten fragen auch nicht danach. Wenn Sie in Ihrem Umfeld ganz viel Glück haben, dann finden sich dort Menschen, die ernsthaft daran interessiert sind, was andere an ihnen wahrnehmen und was sie bei ihnen auslösen.

Kritik, Beurteilung …

In Organisationen geht es um etwas anderes. Nämlich um Kritik und Beurteilung. In dem genannten Beitrag wird beides mal wieder mit Feedback synonym verwendet. Auch Blödsinn – wenn auch verständlich. Denn auch hier geht es um Beobachtungen des Verhaltens anderer, und natürlich auch um das, was es bei anderen auslöst. Aber hier bezogen auf ein (Leistungs-)Ziel. Jemand ist Führungskraft oder Kollege und möchte oder muss ein Ziel erreichen. Das, was der andere – Mitarbeitender oder Kollegin – tut, hindert ihn daran oder erschwert die Erreichung des Ziels.

Und dann geht es nicht darum, ernsthaft an der Entwicklung des anderen interessiert zu sein, sondern darum, ihm klarzumachen, was man sich von ihm wünscht oder wozu man ihn auffordert. Das würde ich als Kritik bezeichnen. „Ich bin Führungskraft und habe den Auftrag angenommen, aber ich werde es nicht schaffen, wenn du weiterhin … Deshalb lass uns überlegen, wie wir das besser hinkriegen.“ Hier sollten wir uns nicht hinter dem wohlmeinenden „Ich gebe dir mal ein gut gemeintes Feedback …“ verstecken, sondern klar sagen, was uns stört und was wir uns anders wünschen. Und hier hat der andere auch nicht die Wahl, sein Verhalten zu ändern oder so weiter zu machen wie bisher, ohne dass es zu Konsequenzen führt.

… und Feedback

Noch mal etwas ganz anderes ist die klassische Beurteilung. Auch darüber habe ich schon oft genug geschrieben (Performance-Management heute). So etwas führen Organisationen ein und geben dem Verfahren das Label „Feedback“ nach dem Motto „Mindestens einmal im Jahr soll der Mitarbeitende erfahren …“ Mag sein, dass es ernst gemeint ist, funktioniert aber so nicht, weil man dabei oft Noten vergeben muss, Gehaltsbestandteile damit verknüpft werden oder Mitarbeitende in Kategorien eingeteilt werden. Mit dem Ziel, sich einen Überblick über das „Human Kapital“ zu verschaffen.

Fazit: Feedback kann man nur anbieten und selbst darum bitten – dem anderen bleibt es überlassen, ob er es hören und ob er es geben will. Kritik ist notwendig, wenn es um konkrete, idealerweise gemeinsame Ziele und deren Erreichung geht. Beurteilungen sind schon in der Schule übel und sollten eingemottet werden.

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