27. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Immer am Freitag

Stellen Sie sich vor, Sie nehmen regelmäßig ein Medikament. Irgendwann erfahren Sie, dass die Gesundheitsbehörden vor Nebenwirkungen dieses Medikamentes gewarnt haben, aber niemand Ihnen bisher etwas davon erzählt hat. Weil die Behörden für die Veröffentlichung einen Freitag gewählt haben. Merkwürdig? Auf jeden Fall. Mehr noch: Höchst irritierend. Die Geschichte steht im Harvard Business Manager (Der Freitagseffekt) und lässt den Leser zuerst den Kopf schütteln, dann völlig fassungslos zurück.

Warum die Wissenschaftler um den Strategieprofessor Luis Diestre auf die Idee kamen, die Auswirkungen von Warnmitteilungen der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA zu untersuchen, geht aus dem Interview nicht hervor. Sie haben fast 450 solcher Mitteilungen erfasst und dabei fiel ihnen auf, dass ein Teil von ihnen sehr effektiv war, um die Nebenwirkungen zu verringern, andere hingegen gar nicht. Die einzige Erklärung, die sie fanden, war der Tag der Veröffentlichung: Es war der Freitag. Warum hatten diese Meldungen keinen Einfluss auf das Verhalten von Ärzten und Patienten?


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Weil Meldungen am Freitag kaum Beachtung finden – weder in den sozialen Medien noch in den Zeitungen. Im Fall der Warnmitteilungen ist das fatal. Nebenwirkungen von Medikamenten verursachen in den USA jährlich ca. 100.000 Todesfälle, wobei die tatsächlichen Zahlen höher sein dürften. Würden die erwähnten Meldungen nicht an einem Freitag veröffentlicht, könnten bis zu 36% der Menschen gerettet werden. Das sind erschütternd viele.

Als die Forscher die FDA über das Ergebnis informierten, war man sich dort dieses Effektes nicht bewusst. Schlimm genug, könnte man meinen, aber die Sache hat noch eine ganz andere Seite.

Der Freitagseffekt ist nämlich in Unternehmen kein Geheimnis. Negative Unternehmensinformationen werden gerne am Ende der Woche herausgegeben, weil sie dann tatsächlich weniger Beachtung finden, haben sie auch weniger Einfluss auf den Aktienkurs. Also veröffentlichen auch Unternehmen gerne unangenehme Meldungen zum Wochenende.

Wo der Zusammenhang ist? Genau das fragten sich die Wissenschaftler auch und stellten erstens fest, dass die meisten Warnmitteilungen der FDA seltsamerweise am Freitag erscheinen, und das über den gesamten Zeitraum von 1999 bis 2016. Und sie fanden zweitens heraus, dass dies besonders Arzneimittelhersteller betraf, die bei der FDA Lobbyarbeit betreiben. 

Ich kenne den Unterschied zwischen einem statistischen und einem ursächlichen Zusammenhang, aber hier fällt mir keine Variante ein, bei der nicht die Lobbyarbeit die Ursache für den Zeitpunkt der Veröffentlichungen ist, auch wenn als sicher gilt, dass von den Pharmaunternehmen kein Geld an die FDA fließt. Glaubwürdige Aussage des Wissenschaftlers in dem Interview: „Bei dieser Forschung habe ich mir zum ersten Mal in meinem Leben gewünscht, dass unsere Ergebnisse falsch sind.“

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