21. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Über Prügelknaben

KRITIK: Manager können scheitern, wie andere Menschen auch. Ihr Scheitern ist jedoch etwas Besonderes, weil es Konsequenzen hat für andere. Das Wohlergehen von Unternehmen hängt von ihnen ab. Und dieses hat Auswirkungen auf Biografien, auf Karrierewege und auf finanzielle Situationen von Share- und Stakeholdern. Schätzungen zufolge, argumentiert Uwe Peter Kanning, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück, liegt die Fehlerquote im Management im Durchschnitt bei 47 Prozent. „Den genauen Wert kennt jedoch niemand.“

Schon zu Beginn dieses Beitrags stutze ich: Was genau will mir der Kollege sagen? Mir schießt unweigerlich dieses lakonische Zitat von Mark Twain in den Sinn: „Als wir unser Ziel aus den Augen verloren hatten, beschleunigten wir unseren Schritt!“


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Also Augen auf: Ist der Begriff Manager nicht eine unscharfe Kategorie? Darf sich nicht jeder Manager nennen? Der Begriff ist nicht geschützt – wie auch der des Coachs nicht oder der des Journalisten. Jeder könnte also Manager sein. Und machen Nicht-Manager, also normale Menschen, nicht auch Fehler? Und können diese nicht ebenfalls gravierende Konsequenzen haben? Was ist eigentlich ein Fehler, frage ich mich weiter – und wer entscheidet darüber?

Das Scheitern: Eine Frage der Persönlichkeit?

Mit der Klärung solcher Fragen hält sich der Autor Uwe Peter Kanning leider nicht auf.  „Es ist naheliegend das Scheitern von Managern vor allem ihrer Persönlichkeit zuzuschreiben,“ so Kanning. „Ein Blick in die einschlägige Forschung zeigt jedoch, dass diese Perspektive zu kurz greift.“ Es folgt eine Liste an bemerkenswerten Aspekten, die alle eines gemeinsam haben – sie sind negativ gepolt und verweisen auf Defizite (Woran Manager scheitern):

  • Defizite in der Persönlichkeit: Intelligenz sei wichtig, soziale Kompetenzen, Integrität und „Die dunkle Triade“ (Narzissmus, Machiavellismus, Psychopathie).
  • Mangelnde Kompetenzen: Hier stehen Denk- und Entscheidungsfehler im Fokus.
  • Destruktive Führung: Laissez-faire- und destruktive Führung sowie Mikropolitik.
  • Belastende Arbeitsumgebung: Arbeitszeiten, Leistungsbeurteilungssysteme, vielfältige Interessenskonflikte.
  • Entscheidung ohne Fakten: Sozialpsychologische Effekte wie Group Think und mangelnde Feedbackkultur.
  • Schädliche Personalarbeit: Bei der Besetzung von Top-Positionen darf die Personalabteilung nicht mehr mitreden. „Die Entscheidung wird komplett in die Hände von selbsternannten Menschenkennern und Hobbydiagnostikern gelegt.“ In der Personalentwicklung gilt: „An die Stelle seriöser Weiterbildung tritt vielmehr das Prinzip der Managerbespaßung.“

Wir wissen zwar nicht genau, was Scheitern bedeutet und auch nicht, was Manager von anderen Menschen unterscheidet, aber die Sache ist in jedem Fall so bedeutsam, dass man warnen muss: Was für eine Logik, das ist vom Allerfeinsten! Man wertet Manager pauschal ab, indem man ihnen Fehler über Fehler vorhält. Zugleich kaschiert man seine Philippika mit relativierenden Formulierungen wie: graduell, vor allem, bisweilen, nicht selten, und mit vagen Vermutungen wie: eigentlich, sicherlich, letztlich – um dann zum Schluss noch einmal ordentlich auf die Pauke zu hauen mit der Bemerkung: „Die skizzierten Einflussfaktoren wirken nicht unabhängig voneinander. Sie sind vielmehr miteinander verwoben und verstärken sich bisweilen gegenseitig. Am Ende steht im schlimmsten Fall ein Syndrom.“

Wenn Seifenblasen platzen

Dieser Beitrag läuft in seiner Vagheit schlicht ins Leere. Glaubt der gestrenge Prediger etwa, die Sünder kämen nun in Scharen zu ihm gelaufen, um Abbitte zu leisten und der Weisheit des Meisters zu lauschen? Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Es fühlt sich niemand angesprochen. Um es mit einem Zitat von Stefan Kühl zu illustrieren: „Scharlatane sind immer die anderen“.

Wenn wir aber etwas Fundamentales gelernt haben in den letzten Jahrzehnten, dann dürfte es die Ressourcenorientierung sein. In den Ausführungen Uwe Peter Kannings vermisse ich diese Perspektive leider. Ich lese nur Defizite. Und ich frage mich, warum der Professor, der so viel differenzierte und lesenswerte Forschung vorgelegt hat, andererseits immer wieder solche pauschalisierenden Suaden veröffentlichen muss, in denen er das sprichwörtliche Kind mit dem Bade ausschüttet. Macht man sich mit der Taktik, alle und alles in einen Sack zu stecken und dann mit dem dicken Knüppel drauf zu hauen, Freunde? Und wenn ja, welche? Sind das die von Managern Enttäuschten, die Beifall klatschen für die Genugtuung, die sie stellvertretend beim Lesen erleben? Oder sind es die Fremdschämer? Only bad news are good news – Skandale, Blut und Katastrophen, solche Schlagzeilen erhöhen die Auflagen, das weiß man.

Doch: Ist es das wert, mit unspezifischen Thesen ins Zentrum der Aufmerksamkeit von Publikumsblättern zu marschieren und sich dort als großer Warner mit den relativierenden Nebensätzen zu gerieren? Erfüllt man damit nicht genau die Funktion, die man selbst den schillernden Angeboten auf dem Weiterbildungsmarkt vorwirft: Managerbespaßung?

Manager können scheitern. Das ist eine Binse. Aber nur die halbe Wahrheit. Denn das Wohlergehen von Unternehmen hängt nicht nur von Managern ab. Sondern auch vom Wettbewerb, von gesetzlichen Rahmenbedingungen etc. – und nicht zuletzt auch von den Mitarbeitern. Wenn wir solches ausblenden, machen wir es uns ziemlich einfach. Wut, Enttäuschung und Neid haben im Fall des Scheiterns ein klares Ziel. Uwe Peter Kanning präsentiert dem Publikum einen Popanz als Prügelknaben.

Die Abkehr vom Heldenmythos

In den letzten hundert Jahren führungspsychologischer Theoriebildung ist allerdings ein gegenläufiger Trend wahrnehmbar: Die Abkehr vom Great-Man-Modell. Als Führungskraft wird man nicht geboren, so könnte man das Fazit des aus Nazideutschland emigrierten Berliner Sozialpsychologen Kurt Lewin zusammenfassen, sondern man kann gute Führung lernen. In den Jahrzehnten, die folgen, wird zudem die Führungssituation immer wichtiger und zuletzt die Rolle der Mitarbeiter. Heutzutage ist die Rede vom postheroischen Manager, der ohne seine Mitarbeiter nicht viel bewirken kann – wie schon weiland Bert Brecht in „Fragen eines lesenden Arbeiters“ (1928) herausgestellt hat. Ganz aktuell beschäftigen wir uns mit den Fragen, wie Führung in Zeiten von Social Media gelingen kann, wenn sich Führungskräfte entmachtet und verunsichert fühlen. Und damit, wie Teams ohne Hierarchie agil arbeiten können. Uwe Peter Kanning schaut da leider nicht hin. Wie schade!

Nur der Vollständigkeit halber, ich bin nicht der Erste und auch nicht der Einzige, der solche Kritik am Autor Kanning äußert. Ähnlich argumentierte vor Monaten schon Arist von Schlippe (Alles durchwebt von Vermutung).

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