21. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Überflüssige Stützräder

INSPIRATION: Erinnern Sie sich noch an Kinderfahrräder mit Stützrädern, die uns helfen sollten, Radfahren zu lernen? Ein wunderbares Beispiel, wie wir Menschen mitunter Lösungen für Probleme suchen: Wir neigen dazu, Dinge komplizierter zu machen. Lieben wir das Komplizierte? Tun wir, sagt Henning Beck in seinem neuen Buch „12 Gesetze der Dummheit“, aus dem der Auszug in der Wirtschaftswoche stammt (Bürokratieabbau im Kopf).

Das Streben nach komplizierten Lösungen hat etwas damit zu tun, dass diese einen Kontrollgewinn versprechen. Je mehr Funktionen ein Smartphone oder ein Auto hat, umso eher haben wir das Gefühl, auf alles vorbereitet zu sein. Klingen die Versprechungen nur kompliziert genug, wecken sie Begehrlichkeiten, das nennt man den „Verführungsreizeffekt“. Das nutzen auch Wissenschaftler oder alle, die besonders überzeugend klingen wollen. Da werden dann hochkomplizierte Sätze gebaut mit möglichst vielen Fachbegriffen, und schon erscheint das Gesagte bedeutsam. Was habe ich mich schon im Studium über die Sprache der Sozialwissenschaftler aufgeregt …


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Warum denn einfach …

Ein anderes Phänomen ist, dass wir bei neuen Problemen gar nicht auf die Idee kommen, etwas zu entfernen, wir fügen in der Regel etwas hinzu. Wie bei dem Experiment mit der Lego-Brücke, die schief steht, weil an einem Pfeiler ein Stein zu viel verbaut wurde: Die meisten fügen bei den anderen Pfeilern Steine hinzu, um sie in die Waage zu bringen, statt den überzähligen Stein zu entfernen. Dahinter steckt vermutlich das Leistungsprinzip: Wir sind trainiert, „Einsatz und Engagement zu zeigen“. Kommen wir also mit zusätzlichen Ideen daher, demonstrieren wir unsere Leistungsbereitschaft. Etwas wegzulassen würde vermutlich als Faulheit interpretiert. Ein anderer Aspekt: Die Möglichkeiten, etwas hinzuzufügen, sind nahezu grenzenlos, während man nur begrenzt Überflüssiges entfernen kann.

Auch ein schönes Beispiel: Der Markt für Lagerräume wächst kontinuierlich. Wir können uns schlecht trennen von Dingen, „unser Leben quillt über vor angehäuften Produkten“. Statt konsequent auszumisten, mieten wir Lagerraum hinzu. Oder packen noch mehr Apps auf unser Smartphone. Angeblich finden sich darauf im Schnitt 40 Apps, wobei wir nicht mal die Hälfte nutzen (nach der Lektüre habe ich tatsächlich einige gelöscht, aber auch einige behalten, die ich noch nie genutzt habe. Könnte ja sein, dass ich sie eines Tages …). Da ist sie wieder, die Sorge, etwas nicht beherrschen zu können oder vielleicht etwas zu verpassen.

… wenn es auch kompliziert geht?

Und schließlich erfinden wir ständig neue Probleme – ein Phänomen unserer Zeit. Denn noch nie gab es so viele Möglichkeiten, Zeit zu sparen. Schönes Beispiel: Früher ging man zum Bahnhof, stellte sich am Schalter an (ist mir kürzlich in den USA wieder „zugestoßen“ – ein echter Fahrkartenschalter!), erklärte, wohin man fahren wollte und bekam sein Ticket. Fertig. Aber mitunter zeit- und nervenaufreibend. Heute tippte ich auf meiner App herum und – wenn alles gut geht – bekomme einen QR-Code, denn ich bei Kontrollen vorzeigen kann. Geht meist tatsächlich schneller.

Aber was fange ich mit der gewonnenen Zeit an? Ich nutze sie für andere Dinge. „Das Arbeitspensum stieg im gleichen Maße wie die Zeitersparnis – oder sogar mehr, denn mit den zusätzlichen technischen Möglichkeiten vermehrten sich auch die Optionen, seine Zeit zu füllen“. Beim Stichwort Smartphone wissen wir alle, was gemeint ist, oder? Was treiben wir darauf alles, was könnte man hiervon getrost weglassen …

Ähnliches lässt sich laut Henning Beck auch bei der Diskussion über Probleme beobachten. Je mehr Menschen über ein Problem mitdiskutieren, desto aufwändiger wird es. Und je einfacher ein Problem ist, desto mehr Menschen reden mit – weil dazu viele Menschen eine Meinung haben. Ist das Problem hingegen wirklich schwierig und komplex, können weniger Menschen mitreden, macht die Diskussion einfacher. Die Lösung: Man reduziert entweder die Anzahl der Leute, die sich mit dem Thema auseinander setzen. Oder man reduziert die Zeit. Auch hier also lautet die Alternative: Weglassen.

So wie beim Radfahren: Heute lernen kleine Kinder spielend Radfahren mithilfe von Laufrädern, die auf das Wesentliche reduziert sind. Der Moment, an dem Papa die Stützräder entfernt und man erst mal der Länge nach hinschlägt, entfällt. Genial.

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