INSPIRATION: KI und Menschen passen einfach nicht zusammen. Also nicht immer. Oder nur manchmal. Also es bräuchte mit Sicherheit etwas Dolmetscherei dafür. Und damit ist nicht die berühmte Prompting-Kompetenz gemeint.
Es ist immer wieder erfrischend, Texte von Gerd Gigerenzer (Schlafwandelnd in die Überwachung) zu lesen. Der Psychologe und Altmeister der Bildungsforschung bringt angesichts des KI-Hypes mal so ein paar Dinge auf den Punkt, die es wirklich in sich haben.
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Redakteur und Interviewer Oliver Haas treibt beispielsweise die Frage um, wo wir Menschen der KI eigentlich (noch) überlegen sind. Und Gigerenzer antwortet: „Ich warte seit Jahrzehnten auf einen Haushaltsroboter, der putzen, kochen, aufräumen und waschen kann, und auch den Müll hinausbringt.“ Doch es gibt ihn nicht – und es wird ihn auch in absehbarer Zeit nicht geben. Warum nicht? Moravecs Paradox: Weil es für einen Computer relativ einfach ist, komplexe Rechenaufgaben zu lösen. „Aber sehr schwer bis unmöglich ist, komplexe senso-motorische Aufgaben zu bewältigen.“ Ist das nicht interessant, dass es bei Menschen genau umgekehrt ist?
Noch ein Beispiel: „Komplexe Algorithmen arbeiten am zuverlässigsten in wohldefinierten, stabilen Situationen, in denen große Datenmengen zur Verfügung stehen.“ Deshalb gibt es auch immer noch kein autonomes Autofahren. Das könnte es erst geben, wenn es „vernetzte Autobahnen, auf denen menschliche Fahrer*innen nicht zugelassen sind“, gäbe. Der Mensch stört, weil er unberechenbar und eigenwillig ist. Und genau mit solchen instabilen, unsicheren Situationen kommen Menschen wiederum prima zurecht. Weil sie sich auf Erfahrung und Intuition verlassen. Da lohnt es sich doch, nahtlos zum Interview mit Niels Van Quaquebeke (Fosbury-Flop mit der KI) zurückzublättern.
Das Fazit
KI ist nicht einfach ein Assistenzsystem, das sich dem Menschen anpasst. „Je mehr wir KI nutzen wollen, desto mehr müssen wir uns an sie anpassen.“ Und das ist ein bitteres Fazit, dass der Altmeister der Bildungsforschung da zieht. Er nennt es Kontrollverlust. Und den sieht er vielfach geschehen. Zunehmend werden Menschen, insbesondere Kinder und Jugendliche, abhängig von Apps, die ihre Aufmerksamkeit fesseln. Er sieht auch, das KI zunehmend für politische Zwecke missbraucht wird. Wohin führt das? In die digitale Sklaverei?
Ganz so drastisch drückt er sich nicht aus, doch warnt er vor einem Aufstieg eines neuen Paternalismus. „Diese Propheten eines technologischen Paternalismus verkünden regelmäßig die Ankunft eines neuen Gottes, einer Superintelligenz (AGI), die uns in allen Bereichen der Denkleistung übertreffen soll. Bis zur Ankunft des neuen Gottes sollten wir seinen Propheten gehorchen.“ Hmmm, und nun?
Was sollen wir tun?
Wir müssen uns dringend schlau(er) machen, so der Autor, und er zählt einige Studien auf, die unmissverständlich klar machen, dass es genau daran in der Breite – vom sog. Digital Native bis zum DAX-Vorstand – fehlt. „Wir gehen schlafwandelnd in die Überwachung,“ so Gigerenzer, weil uns die „digitale Risikokompetenz“ fehlt. Also: nachsitzen!
Sicher keine schlechte Idee. Und wie es der Zufall will, findet sich in derselben Ausgabe der Organisationsentwicklung auch gleich ein Beitrag zum Thema von Martin Eppler (Data Fluency). Er plädiert für fruchtbare Datendialoge zwischen Datenanalysten und dem Management. Wenn die Bosse – ich sage es mal platt – wenig Ahnung von Statistik haben, und die Datenklempner wenig Ahnung von Management haben, wäre es doch höchst sinnvoll, wenn beide Seiten schlauer würden. Und von- und miteinander lernen.
Eppler sagt es etwas vornehmer: „Die Notwendigkeit einer Kombination von Expertise in der Datenanalyse auf der einen Seite und Kenntnis der Handlungsoptionen und Entscheidungsrestriktionen auf der anderen.“ Data Literacy, Daten-Kompetenz, wäre die Basis. Data Fluency meint „die Fähigkeit kompetent, klar, kritisch und konstruktiv mit anderen über Daten zu reden.“ Keine Frage, dazu gibt der Autor Seminare. Aber er teilt auch schon ein Format mit seiner Leserschaft, eine Merkformel für klare Datenpräsentationen.
Design ist ein Acronym
- Declutter: klare Datenvisualisierungen vermeiden unnötige Elemente
- Emphasize: jede Datendarstellung hat eine klare, hervorgehobene Hauptaussage, welche durch die gewählte Chartform unterstützt wird
- Storytelling: Datenpräsentationen folgen einer 3-Akt-Struktur: Überblick-Problematik-Lösungsansätze
- Involvement: Datenpräsentationen involvieren die Zuschauenden regelmäßig durch Fragen oder Vertiefungsmöglichkeiten
- Give Meaning: Zahlen und Daten werden durch Vergleiche mit bereits Bekanntem bedeutsam
- No Disortion: Fehlinterpretationen durch visuelle Über- oder Untertreibungen werden konsequent vermieden
Na, dann ist ja alles klar: Auf den Hosenboden – und Zuckerman, Altman & Co. die Stirn bieten! – Und beten? Aber bitte nicht zur Superintelligenz …
Hallo,
ich mag eure Beiträge, aber heute muss ich skeptisch nachfragen. Ich ich frage mich, warum hier definitiv „es gibt kein autonomes Autofahren“ geschrieben wird. Das ist meines Wissens nach so nicht korrekt. Falls nicht alles an Beiträgen, die man darüber finden kann, gefaked ist, gibt es das zb in den USA bereits sehr wohl. Man kann verschiedene Meinungen dazu treffen, ob es sinnvoll ist, aber geben tut es das. Und zwar schon länger. Ich könnte nicht herauslesen, dass das nur eine persönliche Einschätzung des Autors wäre. Deshalb irritiert mich dieser Artikel irgendwie schon sehr.
Gruß aus Österreich!
Hi, Manu Kastner,
ich kann Deine Irritation verstehen. Danke für Deinen Kommentar! Natürlich gibt es das. Nicht nur in den USA, sondern auch in China. Darum geht es dem Hn. Gigerenzer nicht. Er sagt bloß, dass die Kisten am besten in einer überschaubaren Welt funktionieren. In einer unüberschaubaren Welt – also einer menschlichen – wird es schwierig. Bist Du schon mal auf der Autobahn ausgebremst worden von jemandem, der von ganz links nach ganz rechts (Ausfahrt) rübergezogen ist? Vermutlich … Du hattest das geahnt und bist vorsorlich vom Gas runter gegangen (und hast geflucht). Die KI kommt damit (und mit vielem anderen ebenfalls nicht) so gut klar, sagt Gigerenzer. Fazit wäre also: Nur noch autonomes Fahren. Dann könnte das mit dem autonomen Fahren funktionieren … 😉