INSPIRATION: Was tun, wenn man in die Jahre kommt und sich als Unternehmer zurückziehen möchte? Und gleichzeitig dafür sorgen möchte, dass die Idee, die man einmal hatte, vor allem die Vorstellung von der Unternehmenskultur, nicht den Bach runtergeht? Zwei Inhaber eröffneten ihren Mitarbeitern, dass sie ein Genossenschaft gründen wollen.
Die Reaktion: Begeisterung. Die Begründung für den ungewöhnlichen Schritt: Es gab keine Kinder, die das Unternehmen übernehmen wollten. Und an Investoren oder Konkurrenten wollten die beiden ihr Lebenswerk nicht verkaufen. Die Erklärungen dazu sind interessant: Große Wettbewerber wollen vor allem aggressiv wachsen, und Finanzinvestoren denken nur an Zahlen. „Mich interessieren Zahlen nicht, zumindest nicht als Steuerungsinstrument„, wird einer der Geschäftsführer zitiert (Firmenübernahme einmal anders). Wo Zahlen regieren, muss man „entweder in der Kultur große Abstriche machen oder in der Qualität oder in beidem“.
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Dazu kam, dass die Kultur bei dem IT-Unternehmen Iteratec GmbH schon immer anders war. Früher als alle anderen experimentierte man mit Scrum und agilen Methoden, die Devise lautete stets: „Mach‘ es so, als wäre es deine Firma.“ Führungskräfte sollten weniger entscheiden, sondern den Mitarbeitern Hindernisse aus dem Weg räumen. Die Standortleiter hatten viele Freiheiten – sowohl was die Projekte als auch was die Organisation anging. Letzteres ist interessant: Da lag es also im Ermessen der jeweiligen Bereiche, mit welchen Organisationsformen man experimentieren wollte, so etwas wurde nicht aus einer Zentrale vorgegeben.
Genossenschaft werden
Zu einem solch bereits sehr „demokratisch“ geprägten Unternehmen passt die Form der Genossenschaft sicherlich gut. Der Weg dorthin klingt auch ungewöhnlich. Um nicht sofort ins kalte Wasser zu springen, übernimmt die Genossenschaft zuerst 49% der GmbH. Später soll diese ganz in den Besitz der Genossenschaft übergehen. Zwei der vier Geno-Vorstände sind die beiden Geschäftsführer, die beiden anderen kommen aus dem Kreis der Mitglieder. Alle müssen allerdings gewählt werden – wie auch der Aufsichtsrat. Der besteht aus sieben Mitgliedern. Wer der Genossenschaft beitritt, zahlt 3.500 Euro für seinen Anteil, mehr Anteile kann niemand zeichnen. Dieser wird mit 2% verzinst, wer aus dem Unternehmen ausscheidet, muss auch aus der Genossenschaft austreten.
Das Signal ist eindeutig: Hier geht es nicht darum, Geld anzulegen, sondern die Idee einer etwas anderen Form der Unternehmenskultur zu unterstützen. Der Zweck, der mit der Satzung formuliert wurde, lautet: Arbeitsplätze sicherstellen und die Mitglieder zu fordern und zu fördern. Die mit Spannung erwartete Entscheidung der Mitarbeiter, ob sie der neuen Geno beitreten wollten, fiel eindeutig aus: Mit 200 Mitgliedern entschieden sich fast zwei Drittel der Belegschaft dafür, inzwischen sind es 220.
Zu einer Genossenschaft, in der jedes Mitglied eine Stimme hat, gehört, dass Entscheidungen gemeinsam getroffen werden, das bedeutet intensive und mitunter auch zähe Diskussionen. In dem Beitrag des Personalmagazins kommen einige Mitarbeiter zu Wort, die offenbar das Vorgehen genießen. Dazu hat sicher auch beigetragen, dass die Inhaber auf die Hälfte des geschätzten Unternehmenswertes verzichtet haben, so dass das finanzielle Risiko für die Mitglieder der Genossenschaft offenbar tragbar ist. Ein Modell zum Nachahmen?