KRITIK: Der Trend in Sachen variable Vergütung ist rückläufig. Mit gutem Grund, wie zwei interessante Studien zur Wirkung von Bonuszahlungen zeigen. Danach können ausgelobte Prämien tatsächlich Motivation zerstören. Auch wenn der Forscher vorsichtig in seinen Schlussfolgerungen ist – die Ergebnisse sollten den Personalverantwortlichen auf jeden Fall zu denken geben.
In dem Interview im Personalmagazin („Ein Bonus kann positive Effekte auch zerstören“) erläutert Dirk Sliwka die Versuche. Die Forscher haben 240 Supermärkte einer Handelskette in vier Gruppen eingeteilt. In einer Gruppe führten die Vorgesetzten mit den Marktleitern alle zwei Wochen Gespräche über Möglichkeiten zur Steigerung des Deckungsbeitrags, in der zweiten Gruppe wurde zusätzlich ein Bonus ausgelobt, in der dritten gab es nur einen Bonus und in der vierten weder noch.
Die erste Gruppe verzeichnete eine Steigerung von sieben bis acht Prozent, in den anderen drei Gruppen gab es kaum Auswirkungen auf die Leistung. Was vor allem bei der zweiten Gruppe überraschte. Offenbar hat das Ausloben eines Bonus die Wirkung der Gespräche zunichte gemacht. Die Erklärung ist so einfach wie nachvollziehbar. Die Forscher werteten die Gespräche in den beiden ersten Gruppen aus und stellten fest, dass in der ersten Gruppe offen über Probleme und Lösungen gesprochen wurde, in der zweiten Gruppe hingegen so gut wie gar nicht.
Geld verdirbt den Charakter
Der Schluss lautet: Sobald Geld im Spiel ist, leiden Offenheit und Authentizität der Führungsgespräche. Einleuchtend, oder? Der Marktleiter denkt dann: „Ich gebe lieber nicht zu, dass wir Probleme in dem Bereich A oder B haben, denn am Ende wird mir daraus ein Strick gedreht und der Bonus gekürzt.“ Diese Erkenntnis, so der Forscher, gilt über alle Unternehmen hinweg: „Sobald Geld im Hintergrund ist, wird die Natur des Austausches beeinflusst.„
Deshalb ist die Idee, Entwicklungs- und Gehaltsgespräch zu trennen, im Ansatz sicher richtig, aber nicht zu Ende gedacht. Wenn schließlich doch die Leistung bewertet und ein Bonus von dieser Bewertung abhängt, dann lässt sich das im Kopf sicher nicht trennen – weder beim Mitarbeiter noch beim Vorgesetzten.
Eine weitere Studie
Die zweite Studie betrachtete die Wirkung von Anwesenheitsprämien für Azubis. Hier führte der Bonus direkt zum Gegenteil der erhofften Wirkung: Die Gruppe, bei denen jene, die Geld dafür bekamen, wenn sie nicht fehlten, wies höhere Fehlzeiten auf als diejenigen, die keinen Anwesenheitsbonus in Aussicht gestellt bekamen. Die Erklärung: Der Bonus legitimierte die Abwesenheit. Weil man ja eigentlich davon ausgeht, dass man für sein Gehalt auch zu erscheinen hat, wird jetzt die Botschaft verstanden: Es ist nicht selbstverständlich, regelmäßig zu erscheinen, deshalb gibt es dafür zusätzlich Geld. Also bleibe ich zu Hause, was ja völlig okay ist, weil ich dafür auf das Geld verzichte.
Also Finger ganz weg von jeder Art von variabler Vergütung? Der Forscher ist vorsichtig und meint, dass solche Boni durchaus funktionieren, z.B. bei Mitarbeitern, die „nicht unbedingt intrinsich motiviert sind.“ Und nennt dann Untersuchungen bei Banken, wo man offensichtlich „durch Bonusdifferenzierungen Leistung treiben kann.“ Und auch bei Vertrieblern sei dies durchaus üblich, weil man hier ebenso Leistung messen kann. Außerdem sind diese – wie auch die Banker – „eher monetär motiviert.“ Deshalb, so die Schlussfolgerung, braucht es vielleicht im Unternehmen unterschiedliche Vergütungsmodelle.
Feedback statt Bonus
Ich kann dem nicht wirklich folgen. Hat denn schon mal eine Bank oder eine Vertriebsorganisation versucht, statt der Prämien alle zwei Wochen Gespräche über Möglichkeiten zur Leistungssteigerung zu führen? In der Studie waren die Teilnehmer, die regemäßig solche Gespräche ohne Bonusankündigungen führten, mit dem Feedback viel zufriedener. Warum sollten Banker und Vertriebler völlig anders „funktionieren“?
Sicher ist es extrem schwierig, in Branchen, in denen Menschen gewohnt sind, Prämien für ihre Ergebnisse zu erhalten, auf regelmäßige Gespräche umzustellen. Wer dies versucht, ohne auf der finanziellen Seite für einen Ausgleich zu sorgen (z.B. durch die Beteiligung am finanziellen Erfolg des Unternehmens oder durch die Erhöhung des Fixgehaltes), wird mit Demotivation und Fluktuation rechnen müssen. Apropos „Beteiligung am Unternehmenserfolg“: Laut Dirk Sliwka sind die gegen solche „Gruppenprämien“ immer wieder vorgebrachten Bedenken (Trittbrettfahrerproblem) weit weniger gravierend als man das aus der Theorie des Homo oeconomicus her annehmen könnte. Klingt doch sehr danach, sich von den variablen individuellen Bonussystemen zu verabschieden …