21. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Unterwachen

INSPIRATION: Da ist was dran: Eine Führungskraft hat gar nicht genug Kapazität, um alle Aufgaben der eigenen Mitarbeiter zu überwachen. Es bleibt genug Spielraum, um jede Menge Entscheidungen vor Ort zu treffen. Und Mitarbeiter können geschickt dazu beitragen, diesen zu erweitern. Eine Alternative zur Forderung nach Hierarchie-Freiheit?

Heute wird immer stärker gefordert, dass Entscheidungen in die Ebene delegiert werden sollten, wo sie hingehören – also an die Mitarbeiter, die vor Ort die notwendigen Informationen haben. In der klassischen Hierarchie trägt aber die Führungskraft die Verantwortung für alles, was in ihrem Bereich geschieht. Was allerdings auch hier nicht dazu führt, dass sie auch jede Entscheidung selbst trifft. Die Tatsache, dass die Aufmerksamkeitskapazität einer Führungskraft begrenzt ist, und die Zahl der Aufgaben, die sie eigentlich überwachen sollte, je höher jemand in der Hierarchie angesiedelt ist, zunimmt, nutzen Mitarbeiter schon immer (Führung von unten geht immer).


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Man stelle sich nur vor, die Mitarbeiter würden tatsächlich mit jeder Entscheidung zu ihrem Chef kommen. Er wäre schnell an seiner Kapazitätsgrenze angelangt. Das verleiht ihnen eine Macht, die sie geschickt nutzen können – und in der Regel auch nutzen. Sie können nämlich die Aufmerksamkeit ihres Vorgesetzten auf einzelne Themen lenken oder auch nicht. Und diese sind sogar dankbar, wenn sie nicht mit jedem Problem konfrontiert werden. Luhmann liefert in einem Text aus den 60er-Jahren eine Anleitung für diese Führung von unten (Unterwachung oder Die Kunst, Vorgesetzte zu lenken).

Die Kunst, Vorgesetzte zu lenken

Zuerst sollten sich Mitarbeiter überlegen, welche Probleme besser gar nicht beim Vorgesetzten landen sollten. Weil es z.B. der eigenen Karriere dient, wenn man sich selbst darum kümmert, oder dem Wohl der Abteilung oder weil es schneller geht und die Arbeit erleichtert. Dann sollte man sich mit Kollegen abstimmen. Diese könnten in dem Moment, wo der Chef droht, das Problem zu erkennen, ihn mit anderen Themen beschäftigen. Wenn der Vorgesetzte nun gar nicht rausgehalten werden kann, dann sollten ihm Entscheidungsoptionen angeboten werden. Wie man diese aufbereitet, hat der Mitarbeiter meist in der Hand.

Er kann z.B. eine Alternative so ungünstig darstellen, dass nur diejenige in Frage kommt, die er gerne hätte. Er kann sein spezielles Fachwissen herausstellen, etwa auf einem Gebiet, wo sich die Führungskraft weniger auskennt. Oder er kann Informationen so aufbereiten, dass die Entscheidung in die „richtige“ Bahn gelenkt wird. Und schließlich kann er parallel eine Menge anderer Probleme zur Entscheidung anbieten („Chef, ich komme hier nicht weiter“), so dass die in Frage stehende Problematik ihm dann doch überlassen wird.

All das funktioniert aber nur, wenn Mitarbeiter ihre Vorgesetzten „an der langen Leine laufen lassen“. Soll heißen: Es wird nicht immer klappen, einzelne Entscheidungen so zu beeinflussen oder von dem Vorgesetzten fernzuhalten, wie man sich das im Idealfall wünscht. Letztlich muss man genau hinschauen, worauf die andere Seite besonderen Wert legt, wo sie mitreden und entscheiden möchte und auf diesen Gebieten ihr dann auch diese Entscheidungsmacht zugestehen.

Und die Grenzen

Kluge Führungskräfte sind sich der Tatsache bewusst, dass sie gefilterte Informationen erhalten, mehr oder weniger absichtsvoll von den eigenen Mitarbeitern gelenkt und gesteuert werden. Und sie werden sie entsprechend agieren lassen, weil ihnen das auch eine Menge Stress erspart. Wenn sie schlau sind, werden sie sehr deutlich machen, wo sie umfassend und vollständig informiert sein möchten und unbedingt die letzte Entscheidung haben möchten.

Ich kann mich gut erinnern, wie clever wir uns als Mitarbeiter vorkamen, wenn wir bestimmte Aufgaben auf die uns sinnvolle Art und Weise erledigt hatten. Wohl wissend, dass unsere Führungskraft, hätten wir sie gefragt, einen anderen Weg gewählt hätten. Heute bin ich mir nicht mehr sicher, ob sie nicht einfach schlau genug war, uns machen zu lassen, nach dem Motto: „Tut mir den Gefallen und lasst mich mit dem Problem in Ruhe, weil sonst muss ich dafür Zeit und Energie aufwenden und zu einer Lösung kommen, die vermutlich nicht besser ist als eure, aber die den Regeln entspricht.“

Nun denn, für alle, deren Organisation noch weit davon entfernt ist, Entscheidungen und Verantwortung offiziell den operativen Teams zu überlassen, vielleicht ein Weg, gelassener mit den Widrigkeiten der Hierarchie umzugehen.

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