21. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Wahrnehmende Beobachtung

INSPIRATION: Die Zeitschrift Weiterbildung hat ein ganzes Heft zum Thema „Lesson Study“ herausgegeben. Und das lag schon lange auf meinem Schreibtisch. Vermutlich weil ich kein Pädagoge bin, habe ich von dem Konzept vorher noch nichts gehört. Es geht darum, den Lernenden beim Lernen zuzuschauen, die Methode ist die der „wahrnehmenden Beobachtung“.

Das Konzept komplett zu beschreiben, sprengt den Rahmen von MWonline. Aber die Grundidee finde ich reizvoll, und eine weitere Erkenntnis ziehe ich aus der Beobachtungsform. Zur Geschichte: Das Modell stammt aus Japan. Und es wurde deshalb bekannt, weil die USA in ihm wohl die Ursache für den Leistungsvorsprung japanischer Schüler gegenüber amerikanischen Schülern in Mathematik sahen (Gewinn für Lehrende und Lernende). Ob die Einführung in den USA tatsächlich zur Verringerung dieses Abstandes beitrug, ist wohl nicht wirklich nachweisbar.


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Was steckt dahinter? Lehrkräfte formulieren eine Forschungsfrage (z.B. eignet sich die Methode X zur Vermittlung des Bruchrechnens?), planen eine Unterrichtseinheit, ein Lehrender führt den Unterricht durch, die anderen beobachten die Lernenden. Anschließend werden die Beobachtungen ausgewertet und Empfehlungen für den zukünftigen Unterricht abgeleitet.

Made in Japan

In Japan geht man wohl viel weiter: Danach entwickelt die Gruppe aus den Beobachtungen die Unterrichtseinheit weiter, diese wird von einer anderen Lehrkraft unterrichtet, wobei diesmal alle Mathematiklehrer der Schule die Schüler beobachten. Dann werden die Beobachtungen erneut ausgewertet und der Unterricht noch einmal durchgeführt. Dieses Mal in einer großen Halle, so dass bis zu 300 Pädagogen beobachten (Noch keine Beweise für bessere Lerneffekte). Daraus wird dann ein Bericht, der allen Lehrkräften des Landes zur Verfügung gestellt wird. Ein erheblicher Aufwand, man stelle sich vor, sämtliche Inhalte des Schulunterrichts eines Landes würden so überarbeitet …

Was können Personalentwickler und Weiterbilder hiervon ableiten? Ich finde die Beobachtung der Lernenden spannend. Dass hier nicht der „Lehrende“ bei seinem Tun untersucht wird, sondern geschaut wird, wie die Lernenden reagieren. Die genutzte Methode der „wahrnehmenden Beobachtung“ bedeutet, dass die Beobachter sich Notizen über das machen, was sie wahrnehmen: „Der Schüler schaut in der Gegend herum, er blättert in seinem Buch, er kaut auf seinem Bleistift, er tuschelt mit dem Nachbarn …“

Die Beobachtung der Lernenden

Jede Beobachtung wird auf eigenen Zetteln notiert, damit sie anschließend in zeitlicher Reihenfolge aufgehängt werden und so die Aktivitäten im Verlauf des Unterrichts darstellen. Macht man das mit mehreren Schülern (jeder Beobachter konzentriert sich auf einen Lernenden), entsteht auf diese Weise das Bild einer Lehreinheit in Form sogenannter „Lernaktivitätskurven“. Die Zettel werden in unterschiedlichen Höhe angepinnt, wobei die Y-Achse die Einheiten nach Aktivitätsniveau enthält: Passiv, reaktiv, aktiv und konstruktiv-proaktiv) (Mind the gap).

Wäre so etwas vorstellbar für Seminare in der Erwachsenen-Bildung? Auf alle Fälle, denke ich. Wobei das Prozedere Seminarteilnehmern schon sehr gut vermittelt werden müsste. Aber bei Assessment Centern geht das auch, warum also nicht bei Lehrveranstaltungen? Hängt halt von der Priorität ab, die man der Qualität einer Maßnahme einräumt.

Wobei ich zur weiteren Erkenntnis komme: Anders als eben bei Assessment Centern, wo man die Teilnehmer natürlich mit einem anderen Ziel beobachtet (hier geht es ja angeblich um Potenziale der Kandidaten), beobachtet man nicht mit einem Kriterienkatalog. Wäre ja auch denkbar, dass die Beobachter einfach nur Kreuze machen für „passiv, aktiv, reaktiv usw.“ Stattdessen wird das konkrete Verhalten notiert, was bei den Lehrenden für so manchen Aha-Effekt sorgt. Es „liefert Daten, auf deren Basis ein lösungsorientierter Diskurs zwischen den Beteiligten möglich wird, der sich nicht auf Vermutungen oder Überzeugungen stützt …“ (Das Lernen besser verstehen). Bestärkt mich sehr in der Ablehnung kriterien-geleiteter Skalen- und Benotungssystemen.

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