INSPIRATION: Ein Konzern, der Kliniken betreibt, stellt fest, dass junge Mitarbeiter in der Regel nur sehr kurz im Unternehmen bleiben – so gehen die unter 30-Jährigen dem Arbeitgeber im Schnitt nach 18 Monaten (!) von der Stange (Erfolgsfaktoren beim Talentmanagement). Das Unternehmen möchte neue Wege in der Personalentwicklung gehen. Die Ziele werden wie folgt beschrieben:
- Zentral gesteuerte Personalentwicklungsinstrumente – da runzelt der Leser das erste Mal die Stirn, vor allem, weil dieser Punkt zuerst genannt wird. Ist doch bezeichnend, oder? Die junge Leute laufen weg, und die Personaler betonen zuallererst, dass man auf eine zentrale Steuerung Wert legt.
- Steigerung der Qualität der Auswahlprozesse, damit man die guten Kandidaten findet, die auch zum Unternehmen passen und deshalb länger bleiben
- Die internen Personalressourcen bestmöglich nutzen, d.h. den Mitarbeitern Rahmenbedingungen bieten, damit sie nicht so schnell gehen.
Und was genau hat man dann unternommen? Den Auswahlprozess professionalisiert, sprich: ein konzernübergreifendes Kompetenzmodell entwickelt, wobei jedes Kriterium mit Verhaltensankern versehen wurde. Man hat die Beurteiler geschult, Interviewleitfäden erstellt und den kompletten Prozess transparent ins Intranet gestellt. Kingt schon mal sehr bürokratisch.
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Die Führungskräfte haben jetzt in ihren Jahreszielen auch die Förderung der Mitarbeiter stehen, wobei Mitarbeiter, die in andere Bereiche abwandern und das Unternehmen nicht verlassen, als Erfolg angesehen werden. Die Weiterentwicklungswünsche der Mitarbeiter werden im „jährlichen Fördergespräch erfragt und zentral koordiniert„. Mitarbeiter, denen man den Wunsch nach einer anderen Position nicht sofort erfüllen kann, stellt man alternative Stellen befristet zur Verfügung, wohlgemerkt mit der Betonung, „dass die Teilnahme nicht in jedem Fall zu einer Beförderung oder Ähnlichem führt„. Einmal im Jahr findet eine Nachwuchskonferenz statt, die Führungskräfte wurden in Workshop in Sachen Talentmanagement geschult.
Wir erfahren, dass eine Evaluation nach zwei Jahren ergab, dass „der Aufwand als wirksame und fortzuführend Weitentwicklung in der Personalarbeit bewertet wurde.“ Leider erfahren wir nicht, ob die jungen Leute nun länger bleiben. Spannend hingegen sind die Erkenntnisse am Ende des Beitrages, die darauf hindeuten, dass der Aufwand nicht ganz das erhoffte Ergebnis erzielte:
- Man sollte die Verantwortung für Personalentwicklung bei den Führungskräfte belassen und aufpassen, dass man die Formate und Prozesse nicht „verbürokratisiert„.
- Die Personaler sollten im Vorfeld die Stakeholder-Interessen bei der Konzeption unbedingt berücksichtigen, anschließend aber „frustrationstolerant sein und die Prozesse stringent umsetzen„.
- Die Maßnahmen setzen viel Transparenz, Akzeptanz und Austausch zwischen Leitung, Führungskräften, Mitbestiummungsgremien und Personalmanagement und „ein ausreichendes Budget voraus„.
- Die Kandidaten waren nicht sonderlich geduldig, wenn ihre Zielposition nicht sofort frei war und sie eine Zwischenstation einlegen sollten.
- Zufriedener war den Nachwuchs nicht, denn obwohl vieles besser wurde, stieg die Erwartungshaltung – oder gerade weil man Verbesserungen in Aussicht gestellt hatte.
Mit anderen Worten: Da haben die Personaler ein großes Rad mit zu kleinem Budget gedreht, eine Menge Erwartungen erzeugt, die anschließend so nicht erfüllt werden konnten. Nachbefragungen haben keine wirkliche Steigerung der Zufriedenheit ergeben, entsprechend frustriert dürften auch die Personalentwickler am Ende gewesen sein. Steht so nicht im Artikel, klingt aber deutlich durch.
Ich kenne mich im Gesundheitswesen nicht sonderlich gut aus, aber fürchte, dass dort Entwicklung vor allem als Aufstieg in der Hierarchie verstanden wird. Solange das so ist, dürfte Talentmanagement rasch an seine Grenzen stoßen. Da wären vermutlich ganz andere Diskussionen und ein neues Verständnis von Personalentwicklung angesagt.