INSPIRATION: „Die Hauptaufgabe von Führungskräften besteht im Beziehungsmanagement mit ihren Anspruchsgruppen – den so genannten Stakeholdern,“ eröffnet die Autorin Fabienne Bünzli ihren Beitrag (Mit Anspruch zum Zuspruch). Da werden manche zustimmend nicken – doch die anderen werden denken: Wir haben auch noch Wichtigeres zu tun. Und damit liegt das Problem schon auf der Hand. Was ist wirklich wichtig im Management?
Versteht sich der Manager als Interessensagent? Oder als Kontrolleur von Zahlen und Mitarbeitern? „Das Zusammendenken wirtschaftlicher sowie ethischer Aspekte gilt als Herzstück der Stakeholder-Theorie,“ belehrt uns die Autorin. Und sie hat damit völlig recht. Denn der Konkurrenztheorie, der Shareholder-Theorie, ging es einzig ums Geld: The business of business is business (Friedman). Diese Zeiten sind vorbei. Heute geht ohne Corporate Social Responsibility (Freude und Leichtigkeit) nicht mehr viel in der Wirtschaft. Das war in den 1980er-Jahren, als die Stakeholder-Theorie (Freeman) entwickelt wurde, noch ziemlich anders. Heute gehört dieser Ansatz zum Standardrepertoire.
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Freeman bezeichnet „alle Gruppen oder Individuen, die das Erreichen von Unternehmenszielen beeinflussen oder davon beeinflusst werden können“ als Stakeholder. Und wenn man sich das mal genauer vor Augen führt, sind da viele betroffen, intern wie extern. Und die wollen auch erst einmal identifiziert werden. Das könnte eine recht aufwändige Angelegenheit werden, und da man (Manager) ja „Wichtigeres“ zu tun hat, schiebt man das beiseite – man ja eh „alles“ im Blick. Oder delegiert das an einen Praktikanten – ohne dass man sich die Ergebnisse näher anschaut. Bis es dann ZOOM! macht und man von einer handfesten Krise überrollt wird. Man hat zwar angeblich alles im Blick, ist aber nicht vorbereitet.
Stakeholder-Analyse
Wie kann man nun eine Stakeholder-Analyse aufsetzen? Dafür gibt es mehrere Ansätze: Das Konzept von Mitchell, Agle und Wood (1997) basiert auf den Faktoren Einfluss, Dringlichkeit und Legitimität. Diese lassen sich als Venn-Diagramm, als sich überlappenden Kreise, darstellen. Es ergeben sich sieben relevante Fälle unterschiedlicher Priorität. In der zweiten Phase der Analyse werden nun die Stakeholder nach zwei Dimensionen bewertet (Savage, Nix, Whitehead & Blair 1991): Unterstützungs- vs. Bedrohungspotenzial. So werden vier Typen sichtbar. Auch hier lässt sich eine Priorisierung sowie spezifische Handlungsstrategien ableiten. Als weiterer Ansatz wird auf die Stakeholder-Relevanz-Matrix von Müller-Stewens und Lechner (2016) verwiesen. Diese Matrix spannt sich durch die Dimensionen Einfluss und Beinflussbarkeit der Stakeholder auf. Sie offenbart die vier Typen: Gesetzte, Randfiguren, Spielmacher und Joker.
Wer solche Analysen nur als Spielerei abtun möchte, verkennt die Lage. Aus Spiel kann schnell Ernst werden. Und dann zeigt sich, ob man seine Hausaufgaben gemacht hat. Dazu gehört, mit den Spielmachern eine langfristige, persönliche Beziehung einzugehen oder die Joker durch gezieltes Lobbying zu beeinflussen. Der dritte Schritt im Stakeholder-Management besteht eben in einem proaktiven Handeln. Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, ist es zu spät, Vorbereitungen zu treffen.
Und Alternativen
Ein Kritikpunkt am Ansatz betrifft die etwas holzschnittartige Darstellung der meisten Ansätze. Die Gruppen lassen sich womöglich nicht trennscharf darstellen und auch die Phasen nicht. Insbesondere für die dritte, die Engagementphase lassen sich zwar zahlreiche Vorschläge sammeln, doch gibt es kein Patentrezept. Die Situationen, in die Unternehmen kommen können, können sehr heterogen sein. Ein weiterer Kritikpunkt lautet, die Analyse fokussiere zu sehr auf die dyadische Beziehung Unternehmen und einzelne Stakeholder-Gruppe, vernachlässige aber die Interaktionen zwischen mehreren Stakeholder-Gruppen. Abhilfe könnte der Einsatz einer elaborierteren Theorie, der Social Network Analysis (Den Eisberg lupfen) schaffen, der in diesem Beitrag aber nicht weiter ausgeführt wird.
Wo findet diese Theorie Anwendung? Sowohl im Profit- wie auch zunehmend im Non-Profit-Bereich. Sie ist schlicht aus der Praxis nicht mehr wegzudenken.