1. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Weichspüler

PRAXIS: Meist fällt es uns bei anderen mehr auf als bei uns selbst: Der Gebrauch von „Tilgungen“ in der Sprache. Das sind relativierende, abmildernde Begriffe, die das Gesagte „weichspülen“. Der Klassiker: Eigentlich. Wenn der Klient im Coaching hiervon starken Gebrauch macht, könnte das ein Anlass für eine Auseinandersetzung damit sein. 

Hier die Liste der „weichspülenden“ Wörter: Eigentlich, ziemlich, an sich, vielleicht, im Prinzip, grundsätzlich, möglicherweise, recht, würde, quasi, könnte, normalerweise, ein Stück weit. Oder auch der Einsatz von „ganz“: „Ich fand deine Präsentation ganz gut.“ Diese Wörter werden zu einem bestimmten Zweck eingesetzt: Wir legen uns nicht fest, schwächen das Gemeinte ab, wovon wir uns im Nachhinein auch gut distanzieren können, falls wir auf Widerspruch stoßen. Wobei das selten bewusst geschieht.


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Tilgungen aufspüren

Fällt dem Coach der häufige Einsatz solcher Begriffe auf und diese Beobachtung passt thematisch zum Coaching, teilt er diese Beobachtung mit dem Coachee. Ist dem Klienten dies bewusst, kann der folgende Ablauf starten. Hat er es hingegen selbst noch nicht festgestellt, kann der Coach auch erst einmal für sich weitere Beispiele sammeln und ihn später damit konfrontieren.

Schritt 1: Gemeinsam werden Beispielsätze gesammelt. Wohlgemerkt ganze Sätze, nicht nur die Begriffe, damit der Kontext deutlich wird. Anschließend geht es um Fragen wie: Habe ich die Formulierung bewusst gewählt? Welches Bedürfnis steckt dahinter? (Zum Beispiel die Sorge vor Widerspruch, Ablehnung, Disharmonie). Was könnte passieren, wenn ich mich eindeutig ausdrücke? Welchen Zweck könnte mein „Weichspüler“ noch verfolgen?

Schritt 2: Dann werden für mehrere Sätze alternative Formulierungen gesucht, die das benannte Bedürfnis (Ich möchte Harmonie) nicht verletzen. Statt: Ich fand deine Präsentation ganz gut, etwa: Ich bin deiner Argumentation gerne gefolgt, ein anschauliches Beispiel hätte mir das Verständnis erleichtert.

Schritt 3: Der Klient wird gebeten, die alternativen Sätze auszusprechen und in sich hineinzuhorchen, vor allem dabei auf die körperlichen Reaktionen zu achten: Wie fühlt sich der Satz im Vergleich zum alten an? Welche Gedanken gehen mir dabei durch den Kopf? Gibt es bestimmte Erfahrungen, die ich mit den alten Formulierungen gemacht habe? Welche habe ich mit klaren Aussagen gemacht?

Schritt 4: Hier können weitere Weichspüler gesammelt werden. Eine Frage könnte sein: Welche Begriffe fallen mir bei anderen Personen auf? Die Begriffe werden notiert.

Schritt 5: Nun werden mögliche Bedürfnisse für die gefundenen Wörter gesucht, z.B. Höflichkeit, Offenhalten von Alternativen und Ausweichmöglichkeiten, Unzufriedenheit, Sorge vor Konfrontation usw.

Schritt 6: Der Klient erhält eine „Hausaufgabe“, die er sich selbst stellt. Die Fragen hierzu können lauten: Worauf möchte ich achten? Woran werde ich die Veränderung spüren? Woran werden andere die Veränderung erkennen? Die Antworten werden schriftlich festgehalten und können in der nächsten Coachingsitzung besprochen werden.

(Nach Wilson-Wiegmann / Brakemann: Die Weichspüler. Coaching Magazin 4/2022, S. 40-43)

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