KRITIK: Die Beraterwelt hat den Wert von Werten erkannt. Und weiß, wie diese genutzt werden können, um Kompetenzen aufzubauen, die in einer immer komplexeren Welt benötigt werden. Das klingt anmaßend und irgendwie auch wieder bekannt. Denn dahinter steckt das alte Denken von der Steuerbarkeit von Unternehmen.
Zumindest klingt es so. Aber der Reihe nach. Wissen anzuhäufen, sich quasi einen Wissensvorrat anzulegen und das notwendige Wissen bei Bedarf abzurufen, funktioniert schon lange nicht mehr. Also brauchen Mitarbeiter Kompetenzen, das sind bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten (wobei natürlich auch weiter Sachwissen benötigt wird), die sie handlungsfähig machen und in die Lage versetzen, in verschiedenen Anforderungssituationen angemessen zu reagieren. Einverstanden so weit?
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Kompetenzen: Aber welche?
Wie aber finden wir heraus, welche Kompetenzen wir brauchen? Dazu brauchen wir Werte, die uns Orientierung bieten, damit wir uns in den komplexen und unüberschaubaren Anforderungen zurecht finden. Wir treffen auf Basis unserer Werte Entscheidungen, machen dann die Erfahrung, ob wir richtig lagen oder nicht, und ziehen daraus Schlussfolgerungen. So entstehen neue Kompetenzen.
Moderne Personalentwicklung vermittelt also immer weniger Sachwissen und trainiert auch immer seltener Kompetenzen in Form von Rollenspielen in Seminaren, sondern arbeitet an den Werten der Mitarbeiter. Wie das? Zwei Fachleute erklären das in der managerSeminare (Lernreisen gibt’s nicht pauschal).
Jeder Mensch steht für bestimmte Werte, die sein Handeln leiten. Er arbeitet in einem Team, das wiederum eigene Werte hat (Teamwerte). Und dieses ist Teil eines Unternehmens, das ebenfalls über einen Wertekanon verfügt (Organisationswerte). Auch wenn die Werte eines jeden Mitarbeiters nicht unbedingt deckungsgleich mit denen des Teams und der Organisation sein müssen, so „sollten alle in der Organisation die grundsätzlichen Unternehmenswerte verinnerlichen – oder das Unternehmen über kurz oder lang verlassen.“
Zunächst: analysieren
Was liegt also näher, als mit einer Analyse zu beginnen. Von einer entsprechenden Software der Autoren unterstützt, findet mal also raus, wie es um die Werte der Mitarbeiter, der Teams und der Organisation bestellt ist. Daraus leitet man für jeden Mitarbeiter Entwicklungsbedarfe ab. Stelle ich mir seltsam vor: Mein zentraler Wert ist „Familie“, aber der kommt in meinem Team ansonsten gar nicht vor. Wie könnte denn hier ein „Werteentwicklungsziel“ lauten? Und überhaupt: Kann man Werte „entwickeln“? Offenbar, denn das soll im Coaching. z.B. mit dem Chef oder in kollegialer Beratung, erfolgen.
Dann wird geschaut, welche Aufgaben herausfordernd genug sind, um an diesen Ziel zu arbeiten und zu wachsen, das könnte auch ein Pilotprojekt sein, in dem die als zu entwickelnden Werte „handlungsleitend sind“. Dies wird von den Mitarbeitern selbstorganisiert bearbeitet, natürlich auch von sozialen Medien unterstützt. Anschließend werden die Erkenntnisse in Coaching- und Mentoring-Formaten reflektiert, dokumentiert und in Workshops anderen zur Verfügung gestellt.
So viel habe ich verstanden: Statt in Seminaren Wissen eingetrichtert zu bekommen oder in Rollenspielen Situationen spielerisch auszuprobieren, sucht man konkrete Herausforderungen im Unternehmensalltag, zur Not schafft man sie in Form von Pilotprojekten, bewältigt die Herausforderungen und reflektiert anschließend die Erfahrungen in unterschiedlichen Settings.
Nicht wirklich innovativ, oder?
Lediglich um den Aspekt der Werte ergänzt, aber gerade da bin ich skeptisch, inwieweit Organisationen die Aufgabe und das Recht haben, die Wertehierarchie ihrer Mitarbeiter zu messen und diese zu verändern. Mehr noch: Meine Erfahrungen zeigen, dass es in komplexen Organisationen gar nicht die zentralen Organisationswerte gibt, und dass, je nach Führungskraft, auch in Teams sehr unterschiedliche Werte vorherrschend sind. Die sich sofort ändern, wenn eine neue Führungskraft das Feld betritt.
Es mag sehr aufschlussreich sein, wenn ein Mitarbeiter erkennt, wie weit er selbst von den Werten entfernt ist, die in seinem Team vorwiegend gelebt werden. Und es dürfte auch ziemlich hilfreich sein, sich hin und wieder im Team darüber zu unterhalten, was eigentlich genau zählt. Solche Gespräche dürften allein schon einen Einfluss auf die Zusammenarbeit haben.
Aber eine „Wertemessung“ als Basis für Kompetenzentwicklung? Klingt nach dem Verkauf eines Berater-Tools.