23. Juni 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Wertschätzung als Symptom

INSPIRATION: Phrasen, in denen die Worte Wertschätzung, Respekt und Anerkennung vorkommen, gehören offenbar zum Alltagsrepertoire eines jeden Unternehmens, das etwas auf sich hält. Dazu muss man nur mal die Firmendarstellungen im Internet sichten. Verdächtig ist das schon, oder? Wer betont, dass einem „ein wertschätzender, fairer und offener Umgang miteinander“ sehr wichtig ist (Aldi Süd), der erklärt doch gleichzeitig, dass so etwas nicht als Standard gesehen wird. Das ist doch in etwa so als würde man erklären, dass es einem wichtig sei, die eigenen Mitarbeiter zu entlohnen. Oder ein Hotel erklären würde, dass man Wert auf Höflichkeit legt.

Aber mal abgesehen davon: Was steckt hinter dem Phänomen, dass allerorten Wertschätzung gefordert und versprochen wird? Was, wenn man dies als Symptom betrachtet, und nicht nur als Mode? Das versucht Peter Laudenbach in der Brand eins (Respekt!) und meint, es steht auch für einen grundsätzlichen Kulturwandel – dass nämlich Menschen heute mehr von einem Arbeitgeber erwarten als eine einigemaßen faire Bezahlung.


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Mehr als normal

Aber bei letzterer fängt es schon an: Ist eine angemessen Bezahlung nicht schon ein Ausdruck von Wertschätzung? Aber ganz sicher: Wer wenig bezahlt, drückt doch aus, dass er die Arbeit nicht für sonderlich wertvoll hält. Eigentlich sehr einfach. Und damit ist auch klar: Wer solch hochtrabende Phrasen formuliert, gleichtzeitig aber sich schwertut, Mindestlohn zu zahlen, der macht sich lächerlich. So etwas wirkt so zynisch wie der Applaus für Pflegekräfte, um sie anschließend weiterhin für wenig Geld schuften zu lassen. „Respekt kostet. Und zwar Mühe und Geld,“ schreibt Laudenbach. Wohl wahr.

Aber „nur“ fair zu bezahlen – reicht das? Oder wird heutzutage mehr erwartet? Wenn ein Handwerker meine Heizung repariert und ich anstandslos die Rechnung begleiche – ist das nicht Wertschätzung genug? Braucht es auch noch eine zusätzliche Geste der Dankbarkeit? Damit Organisationen funktionieren, eigentlich nicht. Gegenseitiger Dank ist ist schön, aber nicht notwendig. Er ist eine Geste, die ausdrückt, dass alles in Ordnung ist, sagt Luhmann.

Informelle Hilfe

Aber ganz so einfach ist es wohl doch nicht. Denn es ist längst bekannt, dass Organisationen kaum überleben würden, wenn ihre Mitglieder genau das leisten würden, für das sie bezahlt werden. Wobei das ja schon schwierig zu bewerten ist. Was genau die vereinbarte Leistung ist, die ein Angestellter zu liefern hat, dürfte in vielen Fällen – je nach Führungskraft – sehr unterschiedlich bewertet werden. Und selbst wenn: Es wird immer Situationen geben, in denen die Organisationsmitglieder auf informelle Hilfe angewiesen sind. Nehmen wir zum Beispiel ein Hotel, in dem das Personal an der Rezeption einspringt, wenn ein Zimmer noch nicht ganz fertig ist, aber der Gast schon vor dem Tresen steht. Kümmert sich das Personal dann ohne klaren Auftrag um das Problem, erhält hierfür aber keine Geste der Dankbarkeit – wie wird es wohl auf Dauer agieren?

Da ergibt es schon einen Sinn, wenn der Betriebsleiter in Krisensituationen mit vollen Kuchenblechen in der Nacht ins Werk kommt und auf diese Weise seine Anerkennung für geleistete Mehrarbeit ausdrückt, selbst wenn sie bezahlt wird. Also Wertschätzung vor allem dann, wenn mehr „Leistung“ als die vereinbarte erbracht wird?

Gar nicht so schwer

Anderes Beispiel: Wir fragen im Supermarkt eine Mitarbeiterin, wo denn die Kichererbsen zu finden sind, und sie unterbricht ihre Aktivität und führt uns zu dem Regal. Wir werden uns sicher ganz anders bedanken als wenn wir den Hinweis erhalten: „Drittes Regal auf der linken Seite“. Wie ist es also mit der gezeigten Dankbarkeit bzw. der Wertschätzung? Eigentlich nicht so schwer: Wir sind bereit, sie zu geben, wenn wir tatsächlich Dankbarkeit empfinden. So kann es sein, dass ein Mitarbeiter zwar ganz normal seinen Job macht, indem er auf ein Problem in der Buchhaltung hinweist. Dennoch freuen wir uns, weil uns damit Ärger erspart wird, und zeigen unsere Dankbarkeit. Wertschätzung ist also personen- und situationsabhängig.

Schon deshalb sollte ein Versprechen von der Art, „uns ist ein wertschätzender Umgang wichtig“ nicht in einer Firmenphilosophie oder auf Webseiten erscheinen. Übersetzt bedeutet es dann: „Wenn jemand in unserem Unternehmen Dankbarkeit empfindet, äußert er bzw. sie diese.“ Würde man als möglicher Bewerber nicht sagen: „Na, das wäre aber das Mindeste, was ich erwarte!“ Wäre es nicht genauso selbstverständlich wie eine angemessene Bezahlung?

Miteinander reden

Bleibt immer noch die Frage, wie man in Organisationen dafür sorgt, dass diese Dankbarkeit auch wirklich ausgedrückt wird. Hält man seine Belegschaft dazu an, wirkt es rasch lächerlich. Also denkt man sich andere „Formate“ aus. Wie z.B. die „Wertschätzungsausstellung„. Denkbar wäre auch, in regelmäßigen Abständen Meetings mit einer Runde zu beginnen, in denen jedes Teammitglied äußert, wofür es in der letzten Zeit dankbar war. Am besten fängt man damit ganz oben, im Management an. Vorausgesetzt, man meint das mit der Wertschätzung ernst. Witzige Vorstellung?

Oder noch einfacher: Redet miteinander. Regelmäßig (20% Liebe). Aufwändig? Klar. Aber wie oben formuliert: Respekt kostet.

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