KRITIK: Die Idee ist nicht „kleinzukriegen“: Man analysiere die Ist-Kultur, definiere eine Soll-Kultur und bringe dann die Mitarbeiter dazu, die neue Kultur zu leben. Neue Studien zeigen, wie viel Unternehmen in dieses Unterfangen stecken – und doch nicht zufrieden sind.
Eins scheint sicher: Das Thema „Unternehmenskultur“ hat Hochkonjunktur. Man hat Analystenkonferenzen analysiert und festgestellt, dass die Erwähnung des Begriffs seit 2010 jährlich um 12 Prozent steigt (Ein Kultur-Guide für HR). Bei Befragungen von Führungskräften und Mitarbeitern stellte sich heraus, dass Unternehmen zunehmend Wert daauf legen, dass die Passung zwischen Mitarbeiter und gewünschter Kultur stimmt. So spielen Kulturfaktoren bei der Rekrutierung von Mitarbeitern eine immer größere Rolle.
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Gleichzeitig aber sind nur 31% der Führungskräfte davon überzeugt, dass ihr Unternehmen tatsächlich die richtige Kultur hat. Wunderbare Argumente für alle, die Veränderungsprozesse begleiten und Organisationen dabei beraten. Was dabei herauskommt, nennt sich nun „Workforce-Culture-Alignment“ (WCA) – was soviel heißen soll: Wie kriege ich Mitarbeiter dazu, die gewünschte Kultur im Alltag zu leben?
Der Berater und Autor des Beitrags im Personalmagazin hat drei „Lücken“ ausgemacht, die Mitarbeiter genau daran hindern:
- Wissenslücke: Die Mitarbeiter wissen gar nicht, welche Kultur die Organisation braucht. Gemeint ist wohl: Welche Kultur sich das Management wünscht.
- Mindset-Lücke: Die Mitarbeiter glauben nicht daran, dass die anvisierte Kultur die richtige ist.
- Verhaltenslücke: Die Mitarbeiter verhalten sich nicht so, wie es die angestrebte Kultur erfordert.
Die dritte „Lücke“ verstehe ich nicht. Ist diese nicht lediglich die Konsequenz aus der ersten und zweiten? Vielleicht ist eher eine „Könnenslücke“ gemeint: Die Mitarbeiter wissen vielleicht, was gewollt ist und denken auch, dass dies sinnvoll ist, aber schaffen es aus unterschiedlichen Gründen nicht, sich entsprechend zu verhalten. Weil sie vielleicht festgefahren sind in gewohntem Verhalten. Oder ihnen die Fähigkeiten fehlen. Oder sie fürchten, sich zu blamieren – was auch immer.
Auf der Agile HR Conference ging es wohl in vielen Workshops genau um diesen Punkt: „Was machen Sie denn, wenn die Kollegen partout nicht wollen?“ war eine der häufigsten Fragen (Erste Tests sind abgeschlossen). Die Antwort lautete meist ähnlich: Zur Not müssen sich diese Mitarbeiter nach außen orientieren. Bitter, aber konsequent.
Zurück zum WCA. Das Credo ist bekannt: Binden Sie möglichst viele Mitarbeiter in die Kulturentwicklung ein, am besten die ganze Belegschaft. Dann kommt dabei irgendeine Kulturdefinition heraus, anschließend werden „alle Geschäftsvorgänge auf die Unternehmenskultur hin angepasst…“ Im Ernst? Seit wann bindet denn ein Management bei einer strategischen Entscheidung die ganze Belegschaft ein und fragt alle, wie sie denn die neue Strategie definieren würden?
In einem Beispiel von Unilever wird deutlich, wie die Praxis häufig aussieht. Man stellt fest, dass das Unternehmen Marktanteile verliert, macht als eine der Ursachen fehlende Absprachen zwischen den Abteilungen aus und startet einen Kulturprozess. Das Ziel: Alle sollen an einem Strang ziehen. „Gleichzeitig sollte die Kernstruktur der Organisation erhalten bleiben.“ Das ist doch seltsam, oder? Es klingt, als sei Kultur etwas, das unabhängig von Strukturen existiert. Habe ich oft erlebt. „Wir haben gerade umstrukturiert, jetzt gibt es viele Probleme mit der Umsetzung. Wir brauchen eine neue Kultur, aber die Entscheidung über die Struktur darf nicht angetastet werden.“
Dumm gelaufen – da hilft auch alle Beteiligung nichts. Im Gegenteil: Wer Mitarbeitern sagt: Macht euch Gedanken über Veränderungen, aber die Organisation selbst ist tabu, der darf sich nicht wundern, wenn sich wenig bis gar nichts bewegt.