3. Dezember 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Zeug zum Standardwerk

REZENSION: Bernd Oestereich / Claudia Schröder – Agile Organisationsentwicklung: Handbuch zum Aufbau anpassungsfähiger Organisationen. Vahlen 2019.

Ich habe das Buch schon ziemlich lange im Regal stehen, immer mal wieder hervorgeholt, aber mich dann offensichtlich von den vielen Grafiken und Diagrammen abschrecken lassen. Nun ist es eigentlich schon etwas in die Jahre gekommen, aber die Lektüre lohnt sich immer noch. Wer sein Unternehmen auf Selbstorganisation umstellen möchte, wird hier umfassend informiert.


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Es geht hier NICHT darum, als Führungskraft einen kollegialen Führungsstil zu pflegen, sondern um Selbstorganisation. Wobei am Anfang erläutert wird, warum das alte Denken des Taylorismus ausgedient hat, der dynamische und weltweite Markt eine ganz andere Art der Organisation verlangt und wie eine solche Organisation in der neuen „Netzwork-Ökonomie“ aussehen könnte. Dabei wird früh mit einigen Mythen zur Selbstorganisation aufgeräumt (S. 26-27) und dann ziemlich ausführlich die zugrunde liegende notwendige Haltung erläutert. Wobei klar ist, dass diese Haltung vor allem die Eigentümer an den Tag legen müssen, denn ohne sie geht es nicht.

Systemwechsel

Und es wird auch ziemlich anschaulich erklärt, warum ein Systemwechsel sinnvoller ist als am Verhalten der Mitarbeiter, speziell der Führungskräfte, anzusetzen. Eine schöne Metapher, die von Gerhard Wohland stammt: Ein und dieselbe Person verhält sich völlig unterschiedlich, ob sie sich beim Fußballspiel oder in der Oper befindet. Versuchen Sie mal, im Fußballstadion das laute Singen zu verbieten oder nach Anpfiff alle Türen zu schließen. 

Weiter geht es mit den Gemeinsamkeiten kollegial geführter Organisationen und mit typischen Phasen des Übergangs – im Grunde schon eine Handlungsanleitung für alle, die es ernst meinen. Auch danach gelingt den Autoren immer wieder, ihr Modell in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Wer die Unterschiede zwischen der klassischen Linienorganisation, der soziokratischen, der holokratischen und der von den Autoren empfohlenen kollegialen Kreisorganisation verstehen will, ist im nächsten Kapitel gut aufgehoben, aber er kann sich auch gleich auf die Konfiguration der neuen Organisation stürzen.

Die Details

Danach geht es in die Details: Wie können die Verbindungen zwischen den Kreisen aussehen, welche Art von Kreisen könnte es geben (wobei die passende „Rezeptur“ je nach Unternehmen sehr unterschiedlich aussehen kann)? Wo wird was entschieden, welche Rollen gibt es in den verschiedenen Kreisen und wie wird in den Kreisen entschieden? Da kann dem Leser schon mal der Kopf schwirren angesichts der vielfältigen Tools und Tipps in Sachen Entscheidungen, aber die Realität zeigt in der Tat, dass immer dann, wenn Gruppen von Menschen zu einer Entscheidung gelangen müssen, es eben nicht die eine wahre Methode gibt. Also ist es nur konsequent, hier recht ausführlich die Methoden mit alle ihren Vor- und Nachteilen darzustellen. 

Im letzten Teil werden typische Prozesse, die es in jeder Organisation gibt, angesprochen und beschrieben und wie diese in einer Kreisorganisation aussehen könnten – ob nun die Vergabe bestimmter Rollen, der Ressourcen, die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit (landläufig Controlling genannt), klassische Personalprozesse wie Einstellung, Arbeitszeitregelung, Gehaltserhöhung, Mentoring, Abmahnung, Kündigung und ähnliche. Es folgen Reflexions- und Kommunikationsprozesse (wie Moderation, Feedback, Umgang mit Konflikten). Den Abschluss bildet die Klärung der relevanten Begriffe.

Gut strukturiert

Die gewählte Struktur des Buches führt dazu, dass dem Leser bestimmte Dinge immer wieder begegnen (also zum Beispiel werden Entscheidungsprozesse sowohl bei der Klärung der Rollen als auch bei der Beschreibung typischer Prozesse dargestellt). Der Leser wird dabei aber immer wieder durch Querverweise zu den betreffenden Stellen geleitet, vergleichbar mit Links im Internet, so dass man nicht wie ich das Buch von vorne bis hinten (eben klassisch) lesen muss, sondern sich seine gewünschten Themen erarbeiten kann.

Mein Eindruck zum Schluss: Die Autoren haben vieles von dem, was heute unter Agilität und Selbstorganisation veröffentlicht wird, bereits ziemlich ausführlich dargestellt, so dass dieses Buch durchaus als Grundlagenwerk gelten kann. Für Leser, die sich mit alternativen Organisationsmodellen noch nicht näher beschäftigt haben, kann es ein wenig „erschlagend“ wirken angesichts der detaillierten Beschreibungen. Daher der Hinweis: Man muss nicht alles, was hier vorgestellt wird, in einer Kreisorganisation umsetzen, und vor allem nicht auf einmal und von Anfang an. Man muss sich nur entscheiden, ob man Führung tatsächlich in die Hand der Mitarbeiter geben will, und dann anfangen zu experimentieren. Es lohnt sich…

Beitrag in der Ideenfabrik:

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