21. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Zwang zum Feedback

KRITIK: Mitarbeiter brauchen Feedback. Führungskräfte auch. Da sind sich alle einig. Aber kann man sie auch zwingen, Feedback zu geben und Feedback anzunehmen? Offensichtlich ist man in einigen Unternehmen der Meinung, dass Feedback zur Normalität wird, wenn man die Menschen nur oft genug „aus ihrer Komfortzone“ holt (Radikaler Ehrlichkeit verpflichtet). Die Begründung: Man kann nicht ein Jahr warten bis zum nächsten Mitarbeitergespräch, wenn man zügig voran kommen will und rasche Verbesserungen anstrebt. So wie das in agilen Unternehmen üblich ist. Macht man beim Produkt ja auch nicht, hier ist es normal, sich kontinuierlich zu fragen, was man besser machen kann. Auf die „schnelle Taktung“ kommt es an.

Und dann kommt das Beispiel aus dem Spitzensport: Ein Athlet bekommt auch nicht von seinem Trainer Ende des Jahres gesagt: Es wird Zeit für ein Feedback, ich erzähle dir mal, was ich im letzten Jahr beobachtet habe und was du machen musst, um dich zu verbessern. Er sagt ihm sofort, wenn er Möglichkeiten zur Optimierung sieht. Genau das erwartet der Athlet auch.


Anzeige:

Die Arbeitswelt braucht agile Coachs, um Selbstorganisation, Innovation und neues Rollenverständnis zu implementieren. Die Neuerscheinung „Agiler Coach: Skills und Tools“ liefert für jeden agilen Coach eine beeindruckende Bandbreite an Grundlagen, Methoden und Werkzeugen für die Team- und Mitarbeiterentwicklung im agilen Arbeitsalltag. Zum Buch...


Genau so stellen sich das offenbar die Firmeninhaber vor, die ihren Mitarbeitern zum Beispiel den „Feedback Friday“ auf’s Auge drücken wie die Berliner Agentur Hypr. Da sind die Mitarbeiter aufgerufen, jeden Freitag einem Kollegen eine Videobotschaft mit einer kritischen Rückmeldung zu senden, dazu haben sie bis 17.00 Uhr Zeit. Der Empfänger muss zudem auf die Kritik reagieren mit einem Kommentar, zum Beispiel „Feedback angenommen, werde ich ausprobieren.“ Die Botschaften können natürlich auch den Inhaber treffen. Der berichtet, dass er an einem Tag schon mal von allen eine solche Nachricht erhalten hat. Das sei nicht angenehm, aber hilfreich gewesen. Denn es gibt noch eine weitere Vorgabe: Die Mitarbeiter werden zur „radikalen Wahrheit“ angehalten.

„Feedback Friday“

Das steckt auch in einer anderen Variante, dem „Clear the Air Meeting“, das beim Start-up Soulbottles einmal im Monat stattfindet, auch hier sollen alle offen und ehrlich ihre Meinung austauschen. Die zitierten Experten sind der Meinung, dass man diese Offenheit üben kann. Man muss lernen, Feedback zu geben und auch damit umzugehen. Denn selbst wenn es nicht nach den Regeln der Kunst ausgedrückt wird, schließlich hat man ja die Wahl, etwas draus zu machen oder sich beleidigt zurückzuziehen.

Nette Vorstellung, oder? Menschen zur absoluten Ehrlichkeit zu erziehen (Feedback funktioniert nicht). Zumindest in einem Punkt haben die Vertreter der Feedback-Kultur recht: Einmal im Jahr, wie das im „Mitarbeitergespräch“ passiert, ist Feedback unsinnig. Aber ist einmal im Monat im Meeting oder einmal am Freitag per Videobotschaft sinnvoller? Nur weil es häufiger passiert? Schon klar, die Idee ist: Wenn man das oft genug macht, wird es irgendwann so selbstverständlich, dass man dieses Feedback auch im Alltag, unmittelbar nach einem Verhalten gibt und empfängt. Wird das funktionieren?

Kompetenz zählt

Nehmen wir das Beispiel aus dem Spitzensport. Da wird jemand eigens engagiert, um einem Sportler unmittelbar Rückmeldung zu geben und dann Empfehlungen zu Änderungen zu geben. Der Sportler will sich ständig verbessern, weil er ein Ziel hat, und deshalb gar nicht genug Tipps bekommen kann, um seine Technik weiter zu optimieren. Wenn die Tipps nichts bringen, wird er sich vom Trainer abwenden und sich einen neuen suchen. Genau da wird es schon problematisch. Feedback kann und wird man annehmen, wenn man dem Feedback-Geber die Kompetenz zubilligt. Übertragen auf das Unternehmen wären wir beim Coach oder Mentor: Wie wäre es, wenn jeder Mitarbeiter sich einen solchen suchen und selbst entscheiden kann, ob dessen Unterstützung ihn weiterbringt?

Und was ist mit eigens einberufenen Meetings, in denen Klartext gesprochen wird? Das ist ebenso fragwürdig wie das jährliche Mitarbeitergespräch. Da wartet man also bis zum nächsten „Clear the Air Meeting“, um dem Kollegen zu sagen, dass es einem auf die Nerven geht, wenn er ständig seine dreckigen Kaffeetassen auf der Spülmaschine abstellt? Es bleibt dabei: Feedback um des Feedback willens ist keine gute Idee.

Ich habe schon oft über das Thema geschrieben und glaube immer noch daran, dass man auch im Unternehmenskontext sich offener gegenseitig Rückmeldung geben kann. Aber das klappt nicht per Zwang und Anordnung. Und auch nicht mit der Absicht, Menschen zu erziehen. Daher sage ich mal vorher, dass die beiden genannten „Instrumente“ irgendwann im Sande verlaufen.

Im natürlichen Kontext

Feedback funktioniert nur in konkreten Zusammenhängen. Wenn Menschen zusammenarbeiten und man regelmäßig auf das gemeinsam Geleistete zurückblickt mit Fragen wie: Würden wir es beim nächsten Mal wieder so machen? Was würden wir anders machen? Was könnte jeder Einzelne anders machen?

Oder aber man gibt den Mitarbeitern tatsächlich die Mittel an die Hand, für sich einen „Trainer“ zu engagieren – wenn sie es denn wollen. Aber dann sollte man damit rechnen, dass sie diesen wechseln, wenn er sie nicht weiterbringt oder dass sie erkennen, dass sie viel zu gut für den Job sind oder dass sie im „falschen Sport“ sind – um bei der Analogie zu bleiben…

Teile diesen Beitrag:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert