REZENSION: Christian Stadler / Sabine Spitzer-Prochazka / Eva Kern / Bärbel Kress – Act creative ONLINE! 75 Online-Tools für Beratung, Coaching, Psychotherapie und Supervision. Klett-Cotta 2023.
Wir alle, also wirklich alle, die diese Rezension lesen werden, haben (mindestens) eine Gemeinsamkeit: Allesamt haben wir den Beginn der Covid-19-Pandemie erlebt und verfolgen seither die daraus resultierenden Veränderungen für das Arbeitsleben! Zwar sitzt (oder steht) der Rezensent als Hochschullehrer mittlerweile vor den ersten Kohorten an Studierenden, die erst gänzlich nach „Corona“ zur Hochschule gekommen sind. Aber auch diese haben damals noch als Schüler(innen) den zwischenzeitlichen Übergang zu „Tele-Teaching unter Lockdown-Bedingungen“ erleben müssen.
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Im Jahr 2016 – also noch vor Beginn der Pandemie – hatte mit sehr ähnlichem Einband und Titel genau dasselbe Autorenteam ein Buch zu Techniken in der analogen Beratungswelt herausgegeben. Konsequenterweise schließt das neue Buch nun daran an. Allerdings ausdrücklich gezielt auf das Format des „Post-Corona“-Online-Arbeitens. „Online-Meetings“ werden dabei verstanden als zwei oder mehr Personen, die nur über PC, Bildschirm und Internetverbindung miteinander in Kontakt stehen. Also dezentral zusammenarbeiten oder zumindest miteinander kommunizieren, ohne sich in einem gemeinsamen analogen Raum zu befinden. Diese Treffen dürften heutzutage maßgeblich durch Technologielösungen wie MS-Teams, Zoom, Skype oder Webex durchgeführt werden.
Tools und ein Navigator
Zeitgemäß modern bietet das Buch dazu zu Beginn über QR-Codes Download-Material für 20 Tools an. Und stellt daneben als Navigator eine tabellarische Sortierung nach Anliegen, getrennt nach Einzelpersonen, Paaren, Gruppen und/oder Teams. Danach folgen ausformulierte Grundlagen wie die erforderliche technische Ausstattung, z.B. großer Monitor, Ton/Audio, möglichst Blickkontakt halten, Hintergrundbild, Breakout-Räume für Kleingruppen, allesamt Features, an die sich die meisten mittlerweile gewöhnt haben dürften.
Psychologischer wird es bei kreativen Online-Interventionen aus dem Psychodrama. Gefolgt von Auflockerungsübungen („Äpfelpflücken“, „Durchatmen“) oder Vorstellungsübungen, z.B. „Wahrheit oder Lüge“, anhand von Landkarten persönliche Sehnsuchtsorte zu benennen oder digitales „Speed Dating“. Deutlich mehr „ans Eingemachte“ gehen dann Körperübungen zum „In-sich-Hineinfühlen“, die z.T. sogar im Liegen gemacht werden sollen (was sich der Rezensent im Rahmen von Bildschirmarbeit besonders schwer vorstellen kann). Auch Konfliktübungen einschließlich Lösungsfindung werden beschrieben. Genauso wie die Erfassung des persönlichen Wertekompasses bis hin zu Fragen nach Geburt, Tod und Vermächtnis.
Die „neue Welt der Bürokommunikation“
Insgesamt stellt das Buch damit ein faires Angebot dar für all diejenigen, die ihr Beratungs- und/oder Coachings-Business mittlerweile (wie viele andere auch) erfolgreich „digitalisiert“ haben und ihre Dienstleistungen zunehmend via PC und dezentral anbieten. Allgemeine Zustimmung dürfte dabei finden, dass sich damit mittlerweile auch größere/komplexere Gruppentrainings ebenso vermarkten lassen wie Teamevents oder auch Auswahlverfahren/Assessment-Center. Schließlich hat sich an vielen Stellen diese „neue Welt der Bürokommunikation“ – vermutlich unwiderruflich als Alternative zur „alten Präsenzwelt“ durchgesetzt. (Und auch der Rezensent blickt mittlerweile auf höchst intensive eigene Coaching-Prozesse zurück, ohne den Klienten bislang jemals vor Ort getroffen zu haben).
Allerdings lässt das hier vorgestellte Buch die Frage offen, ob es möglicherweise auch eine Intensität der zwischenmenschlichen Auseinandersetzung gibt, bei der auf digitale Kommunikation möglichst verzichtet werden sollte und das Vor-Ort-Gespräch, also vis-à-vis, tunlichst bevorzugt werden sollte. Spätestens bei den im Buch enthaltenen Endzeit-Themen dürfte ein solcher Punkt erreicht sein, wo eine (reine) Online-Auseinandersetzung an Grenzen stößt. Auch wenn sie medial mehr oder weniger problemlos möglich wäre.
Darüber hinaus erlebt der Rezensent die offensichtlichen Bemühungen des Autorenteams um Struktur oder Leser-Navigation als löblich. Einschließlich des schon erwähnten ergänzendes Download-Materials als digitaler Fundgrube. Gleichwohl fand er die Lektüre rasch etwas unübersichtlich, weil der Text zu immerhin stattlichen 75 (!) Einzel-Tools – trotz einiger Illustrationen rasch zum Weiterblättern statt zu intensivierter Lektüre einlädt. Vielleicht wäre weniger mehr gewesen? Gleichfalls mag es als eine Art Nachschlagewerk für diejenigen, die sich beim Übergang in die Online-Arbeitswelt wohlmeinend unterstützen lassen wollen, geeignet sein …