INSPIRATION: Ein bemerkenswertes Interview gibt ein Trainer, der sich ganz auf das Thema „Gesprächs- und Fragetechnik“ konzentriert hat. Er erklärt, warum Fragen so ungemein wichtig sind, erzählt von seinem steinigen Weg zum „Fragenpapst“, was er von erfolgreichen Speakern hält und gibt zu, dass es ihm in der Corona-Zeit alles andere als gut ging. Das Interview mit Andreas Patrzek erschien in der wirtschaft + weiterbildung und hat mir ausgesprochen imponiert (Mehr Handwerk, weniger Heldentum).
Warum Fragen wichtig sind
Patrzek wird nicht der erste Trainer sein, der festgestellt hat, dass Führungskräfte sich vor allem auf das Reden, weniger das Fragen und Zuhören verlassen. Dabei ist Zuhören eine „hochkomplexe Anti-Narzissmus-Technik“. Genau das ist der Grund, warum viele Führungskräfte lieber reden. Wer fragt, liefert sich dem Befragten aus, das verunsichert. Vor allem, wenn man offene Fragen stellt. Bei geschlossenen hat man noch relativ viel Kontrolle, aber wer offen fragt, der weiß nicht, was als Reaktion kommt. Die Antwort könnte den Fragenden dumm dastehen lassen. Außerdem bildet in diesem Moment nicht die Führungskraft den Mittelpunkt, sondern der Befragte. Es gehört also schon eine Portion Selbstbewusstsein dazu, mit Fragen zu führen. Dafür aber erfährt man auch eine Menge, vor allem Dinge, die allen helfen, sich weiter zu entwickeln.
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Da liegt es nahe, mit Führungskräften intensiv das Fragen und Zuhören zu trainieren. Aber lässt sich dieses Thema „verkaufen“? Vermutlich deutlich weniger leicht als z.B. „Selbstbewusst Auftreten“, „Rhetorik für Führungskräfte“, „Charisma“ oder „Überzeugend Argumentieren“. Aber Andreas Patrzek hat es geschafft. Er wollte diese Nische besetzen, hat zunächst ein Buch geschrieben und das Thema gründlich behandelt. Wobei das noch nicht der Durchbruch war. Der kam erst, als der erste große Kunde sich meldete (ein Landesrechnungshof) und seine Mitarbeiter in Fragetechniken ausbilden lassen wollte.
Mit Kunden machte er ähnliche Erfahrungen wie mit Führungskräften: Sie fragen viel zu wenig. Das hier wären Fragen, die er erwartet, wenn man einen kompetenten Trainer verpfichtet:
Gute Fragen
- Was qualifiziert Sie als Trainer?
- Worauf beruht Ihr Erfolg?
- Was machen Sie in schwierigen Situationen?
- Was denken Sie, welche Wirkung Sie auf Teilnehmer haben?
- Wie bilden Sie sich fort? Wie halten Sie es mit Supervision?
- Wo sehen Sie aktuelle Trends?
Die Kompetenz der Personalentwickler
Personalentwickler, so sein Eindruck, sind selten selbst Trainer, und die wenigsten kommen auch mal persönlich ins Seminar. Und oft haben sie strikte Vorgaben, sie wollen dann 15 Teilnehmer an einem Tag schulen. Solche Aufträge lehnt er ab, das widerspricht dem Anspruch an „solides Handwerk“. Aber offenbar gibt es genügend Trainer, die dafür zur Verfügung stehen. Was er nicht nachvollziehen kann.
Wie er auch nicht versteht, dass Trainer in ihrem Portfolio stehen haben: Berater, Coach, Trainer, Speaker. Wer würde Brötchen bei jemandem kaufen, der sagt, er sei Bäcker, Metzger und Landwirt? Daher sein Wunsch, dass Trainer sich mehr auf ihr „solides Handwerk“ verlassen, ein Thema besetzen und darin echte Fachleute werden. Und der Wunsch an die Auftraggeber, dieses Expertentum anzuerkennen.
Apropos: Speaker
Patrzek gesteht, dass ihn diese Spezies manchmal neidisch werden lässt. Sie stellen sich mit scheinbar grenzenlosem Selbstvertrauen vor die Menschen und verbreiten ihre Botschaften ohne jede Selbstzweifel. Womit wir wieder am Anfang sind: Hier ist für Fragen und Zuhören kein Platz, da blüht der Narzissmus.
Und Corona? Hat ihm arg zu schaffen gemacht, und er ist auch skeptisch, was die Branche angeht, weil Weiterbildung nach wie vor zuerst gestrichen wird, wenn es ans Eingemachte geht. Trainer sind „im Kern einsame Wanderprediger, die ihre Heldengeschichten erzählen“. Sein Tipp für Trainer in schwierigen Zeiten: Sich mit guten Freunden und Kollegen austauschen, gemeinsame Konzepte entwickeln und voneinander lernen. Für Wanderprediger, die gerne im Mittelpunkt stehen, nicht so einfach, oder?