27. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Autos kaufen keine Autos

REZENSION: Vera Starker / Roman Gaida – New Work in der Industrie. Wie wir die digital-kulturelle Transformation meistern! Rossberg 2022.

Die Industrie ist die Geburtsstätte des Taylorismus. Hier herrscht das Maschinenmodell mit Command and Control: Alles soll wie am Schnürchen laufen. Der Mensch erscheint hier bloß als „Ausputzer“. Er wird tendenziell für die Arbeiten gebraucht, die die Maschine noch nicht (!) allein kann. Charly Chaplin hat das in seinem Film „Modern Times“ (1936) so genial und sarkastisch auf den Punkt gebracht, wie das viele Jahre später Oswald Neuberger kommentierte: Der Mensch ist nicht Mittelpunkt der Arbeit. Er ist nur Mittel. Punkt. Doch auch früh gab es schon Kritik an diesem Managementkonzept. Die ihrer Zeit weit voraus geeilte Mary Parker Follett oder Kurt Lewin wären hier zu nennen. Organisationen sind nämlich soziotechnische Systeme. Das gute Zusammenspiel von Menschen und Technik ist entscheidend.


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Der Pferdefuß am Taylorismus ist, er ist nur in einem stabilen Umfeld effizient. Und diese Zeiten sind schon länger passé. Und deshalb wirkt heute auch das andere Managementkonzept von vor hundert Jahren anachronistisch und dysfunktional: Die Bürokratie. Die Autoren des Buchs „New Work in der Industrie“ lassen Jim Hagemann Snabe, den ehemaligen CEO von SAP, zu Wort kommen: „Wir versuchten, das Unternehmen mit der Fernbedienung zu führen. Wir verfügten über all diese hervorragenden Mitarbeiter, doch wir hatten ihnen gesagt, dass sie ihre Gehirne ausschalten sollten.“

Nun ist seit einigen Jahren New Work das Stichwort in den Diskussionen um die Zukunft der Arbeitswelt. Es geht auf Frithjof Bergmann zurück und dessen sozialpolitische Utopie (Freiheit, nicht Selbstausbeutung). Mit dem Konzept werden beispielsweise das Erleben von Sinnhaftigkeit, Selbstbestimmung, Einfluss und Kompetenz am Arbeitsplatz verbunden. Themen, die insbesondere Wissensarbeiter und Büromenschen ansprechen, und die sich nach der Coronapandemie flugs auf Fragen der Arbeitszeit- und Arbeitsortflexibilität kapriziert haben. Doch Homeoffice ist nicht das Spielfeld für Industriearbeiter (Jenseits des Büros). Seit Jahren sprechen wir von der 4. industriellen Revolution und davon, dass die Digitalisierung der Prozesse und die Nutzung von Künstlicher Intelligenz die Produktivität und Effizienz erhöhen sollen. Und schon träumen einige wieder vom Taylorismus, nun aber in seiner digitalen Variante (Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt). Und vergessen darüber erneut die Rolle der Menschen. Ein Irrweg.

Denn die Rahmenbedingungen haben sich längst wieder verschoben. Die Faktoren Demografie, Digitalisierung und Dekarbonisierung (3D) werden die Arbeitswelt der Zukunft dominieren. Wie kann man also Organisationen durch New Work zu resilienten, dynamischen und krisentauglichen Gebilden machen? Man muss, so die Autoren Starker und Gaida, die tayloristische Optik um 180 Grad drehen: „Der Mensch steht im Mittelpunkt eines intelligenten Produktionssystems, während es die Aufgabe der Technik ist, seine kognitiven und physischen Fähigkeiten zu unterstützen.“ Das Fließband passt – Relikt der alten Zeit – in dieses Szenario nicht mehr hinein. Es braucht stattdessen ein flexibles System ohne Band und Takt, eine modulare Montage, wie sie inzwischen bei Audi implementiert wurde. Im Zentrum von New Work stehen folglich sieben Prinzipien, die die Autoren kapitelweise durcharbeiten:

  • Die resiliente Organisation schafft man mit dezentraler Wertschöpfungsorientierung und empowerten Teams.
  • Selbstverantwortung speist sich aus Entscheidungsautonomie und Selbstwirksamkeitserleben. Führung unterstützt die Mitarbeiter hierbei ohne sie „alleinzulassen“.
  • Kooperation gelingt, wenn psychologische Sicherheit die Basis für Mitgestaltung und Verantwortungsübernahme bildet.
  • Sinn entsteht durch selbstbestimmte Arbeit, und diese benötigt flexible Bedingungen (z.B.: Arbeitszeiten).
  • Fokussiertes Arbeiten ist intelligentes Arbeiten. Ständige Arbeitsunterbrechungen und Multitasking sind zu vermeiden.
  • Entwicklung ist der Horizont. Alle Möglichkeiten für Lernen und Weiterbildung sind konsequent und niederschwellig zu nutzen.
  • Soziale Verantwortung ist kein Beiwerk, sondern Kern der unternehmerischen Tätigkeit. Dadurch entstehen Vernetzung und Synergie.

Zum Schluss geben auf zirka 50 Seiten etliche Gastautoren Einblicke in ihre Praxis. Darunter der Personalleiter Deutschland Continental AG, der CEO von Stepstone, ein Professor für Produktionsmanagement sowie der Co-CEO vom KI-Unternehmen Zortify (Webinar: KI in der Mitarbeiterbefragung). Auf diese Weise werden die eher prinzipiellen Ausführungen in den Kapiteln zuvor recht konkret. Was Lust auf mehr macht. Denn der Tenor des ganzen Buchs ist klar und deutlich: Es wird höchste Zeit, die digital-kulturelle Transformation in der Fläche zu meistern.

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