INSPIRATION: Compliance ist und bleibt ein schwieriges Thema. Wie sorgen Unternehmen dafür, dass ihre Mitarbeiter sich an Gesetze und Regelungen halten, ohne sie durch selbige zu nerven und mit Bürokratie zu überfordern? Eine Studie zeigt, dass letzteres an der Tagesordnung ist. 337 Compliance-Beauftragte und Personalmanager wurden befragt, und diese empfanden den bürokratischen Aufwand als hoch (57%), wissen nicht, ob die Schulungen etwas bewirken (49% messen den Effekt nicht) und geben an, dass Mitarbeiter dem Thema negativ gegenüber stehen (56%).
So richtig wundern mag man sich darüber nicht. Wir alle halten nicht viel von gesetzlichen Regelungen, an die wir uns halten müssen, profitieren aber andererseits sehr davon, wenn sich andere regelkonform verhalten. Soll heißen: Es ist extrem sinnvoll, dass wir Spielregeln haben, wie sonst könnte Verlässlichkeit entstehen? Andererseits: Wenn es tatsächlich 10.000 Regelungen gibt, die Unternehmen beachten müssen, dann kann man sich schon vorstellen, wie genervt viele Unternehmenslenker von der schier erdrückenden Menge sind.
Und sie werden es nicht allzu sehr schätzen, dass daraus ein profitables Geschäft wird. Rechtsanwälte mit Schwerpunkt Compliance verdienen gut daran, Unternehmen „rechtssicher“ zu machen, das zeigt gerade der Aufruhr um die neue Datenschutzverordnung.
Mehr Kontrolle? Mehr Schulungen?
Wie schön wäre es da, wenn Mitarbeiter sich ohne große Kontrolle und Schulung an die Regeln des Anstands halten. Und hier sind sich die Experten einig: Mehr Kontrolle und noch mehr Schulungen sind nicht unbedingt der richtige Weg. Was dann? Auch das liest man immer wieder: Führungskräfte sollten das richtige Verhalten vorleben. Leicht gefordert, aber wie sorgt man nun dafür?
Schulungen, wie man sich zu verhalten hat, dürften wenig bewirken – das klappt ja schon in der Erziehung nicht. Zumal jedem klar sein müsste, dass unethisches Verhalten weniger mit mangelnden Fähigkeiten als mit ungesunden Rahmenbedingungen wie Leistungsdruck, unrealistischen Zielvorgaben und internem Konkurrenzkamp zu tun hat.
Sicher, über gesetzliche Vorgaben sollte natürlich informiert werden, ohne Schulungen wird man da nicht auskommen. Dabei sollte es um Informationsveranstaltungen handeln, angereichert um eine Diskussion über die praktischen Konsequenzen und Hindernisse.
Einen interessanten Weg scheint man bei der Telekom zu gehen, er nennt sich „Dilemmata Workshops“, und das auf Vorstandsebene. In dem Beitrag im Handelsblatt (Anstand auf Anordnung) werden diese nicht näher beschrieben, aber ich fantasiere mal: Man stellt die Teilnehmer vor ein moralisches Dilemma, das sich aus den gesetzlichen Vorgaben und den Zielen der Organisation ergibt – also z.B. kooperiere ich mit einem Anbieter, der im Ruf steht, mit unlauteren Mitteln zu arbeiten oder verzichte ich auf die Zusammenarbeit und riskiere damit, dass ein Konkurrent in die Lücke springt und mir Umsatz und Gewinn abnimmt?
Laut der Compliance-Verantwortlichen der Telekom transportieren die Top-Manager des Unternehmens die Erkenntnisse aus diesen Workshop in die Linie und zeigen an den Fallbeispielen auf, was von ihnen erwartet wird. Ich denke, so könnten Schulungen tatsächlich langfristig Veränderungen erzielen – vorausgesetzt, die Realität straft die Fallbeispiele nicht Lügen.