INSPIRATION: Es tut sich mächtig viel in Sachen Lernen, allerdings sind die aktuellen Trends vor allem Technologie-getrieben. Nicht weiter verwunderlich, es klingt nun mal alles sehr spannend und vielversprechend – und ich möchte ergänzen: Viele Versprechen gehen in Richtung „Alles wird leichter, einfacher, bequemer“. Gerade Letzteres aber dürfte ein Trugschluss sein. Die Ursache so manchen Übels ist, dass wir Lernen immer noch viel zu sehr als individuelles Lernen begreifen. Das sind wir alle so gewohnt aus Schule, Studium oder Ausbildung.
Für die Vermittlung von Inhalten ist das auch nicht verkehrt. Die Autoren in der Wirtschaft + Weiterbildung (So hilft auch die beste Lerntechnologie nichts) mutmaßen, dass hierfür das gute alte Fachbuch immer noch am besten geeignet ist. Die neuen Formen der Content-Vermittlung hingegen würden sich schnell abnutzen, „Erklärvideos sind eben reiner Schauinhalt“. Bei diesen fehlt das „Sich-erschließen-müssen“, dem Lernenden wird alles abgenommen, ihm wird zu wenig „Dechiffrierungsleistung“ abverlangt.
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Ich würde hier schon differenzieren. Das mag stimmen für Präsentationen, die einfach nur betrachtet und „konsumiert“ werden sollen – viele Studenten erzählen mir, dass genau das beim „Online-Unterricht“ passiert: Folienschlachten! Grausig. Videos hingegen, die erklären, wie man eine Maschine auseinandernimmt oder die Schritt für Schritt das Erlernen eines Musikstücks demonstrieren, sind einem Fachbuch durchaus überlegen.
Konsumieren
Aber zurück zum Individual-Lernen, das vor allem dann seine Schwächen hat, wenn komplexe Inhalte transportiert werden müssen, wenn es um vielschichtige Zusammenhänge, um das Verständnis von Strukturen und Entwicklungen geht, um Formen der Zusammenarbeit und der Vernetzung. Solche Inhalte lassen sich weder durch Fachbücher noch durch alle möglichen E-Learning-Tools erwerben. Hier bedarf es der Diskursdidaktik. So wie die Reformpädagogik altersübergreifende Klassen eingeführt hat, wo Diversität und die Unterschiedlichkeit zwischen den Lernenden schon lange genutzt wird, so müsste auch in der betrieblichen Weiterbildung der Schwerpunkt auf „teambasierten, funktions- und hierarchieübergreifenden Lerninterventionen“ liegen.
Apropos hierarchieübergreifend – auf ein praktisches Hindernis weisen die Autoren noch hin: Lernangebote sind vielerorts noch Teil von Karrierepfaden, soll heißen: Nur wer in bestimmte Ebenen aufsteigt oder aufsteigen soll, bekommt den Zugang zu entsprechenden Weiterbildungsmöglichkeiten. Damit verbietet sich natürlich der angesprochene Weg der Diskursdidaktik, bei dem gerade die Unterschiedlichkeit der Perspektiven und Erfahrungen ausschlaggebend ist.
Diskursdidaktik
Wie soll nun diese Diskursdidaktik konkret aussehen? Das bleibt ein wenig schwammig, aber immerhin wird so viel klar: Sie ist nicht Ersatz für andere Formen, sondern notwendige Ergänzung. Klassisches Inhaltslernen und moderne Technologien sind die beiden anderen Standbeine, die ebenso genutzt werden, natürlich auch zur Unterstützung des Diskurses.
Als Beispiele werden die Vorläufer in den Organisationen genannt, also Großgruppenformate wie Open Space oder World Café, Peer-Learning und Moderationstechniken. Das Problem dabei: So manches bleibt ein Einzelereignis und lässt sich auch nicht ohne weiteres „rhythmisieren“. Open Space als regelmäßiges Organisationsentwicklungsformat und Bestandtell des täglichen Arbeitens hat sich nicht durchgesetzt und es könnte durchaus sein, dass es sich dann auch abnutzt.
Die Antwort der Autoren: Die gesuchten Ansätze „müssen kleingruppenbasiert, rhythmisiert, einladungsbasiert (freiwillig) und durch eine Sponsorin autorisiert sein.“ Eine schöne Herausforderung für Personalentwickler.