INSPIRATION: Versetzen Sie sich mal in die Lage einer Partei in einer Mediation. Sie hat sich in dem vorliegenden Konflikt für eine bestimmte Position entschieden, die sie nun beharrlich vertritt. In dieser Situation versucht die Mediatorin nun, die Parteien dazu zu bewegen, die Interessen hinter ihren Positionen zu benennen. Oder besser: Überhaupt erst einmal wahrzunehmen. Worum geht es ihnen wirklich?
Hinter der Forderung, Geld für entgangenes Einkommen zu bekommen, könnte der Wunsch nach Anerkennung des bisher Geleisteten stehen. Hinter dem beharrlichen Bestehen auf einer Neuverteilung von Aufgaben der Wunsch nach Sicherheit und Verlässlichkeit – oder welches Interesse es auch immer sein mag.
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Nun sitzt man mit der anderen Partei in einem Raum und soll nach innen schauen. Kann das funktionieren? Mir erscheint es tatsächlich schwierig, auch wenn der Satz „Wenn der Feind im Raum ist, schaut man nicht nach innen“ das arg zuspitzt. Tatsächlich tendieren Konfliktparteien dazu, sich voll und ganz auf das Verhalten der anderen Partei zu konzentrieren, also werden wir ihr die volle Aufmerksamkeit widmen. Oder wir schauen den Mediator an in der Erwartung, dass dieser uns hilft. Wenn dieser nun dazu aufruft, auf unsere eigentlichen Interessen zu schauen, dürfte das in der Tat schwer fallen. Zumal man dann ja in Anwesenheit der Gegenpartei vielleicht Dinge vor sich selbst eingestehen müsste, die zuzugeben ohnehin schwierig sind.
Wäre es da nicht besser, der eigentlichen Mediation mit beiden Parteien ein intensives Einzelcoaching vorzuschalten? Adrean Schweizer („Wenn der Feind im Raum ist, schaut man nicht nach innen“) empfiehlt dieses Vorgehen und wartet mit einem eindrucksvollen Fallbeispiel auf. Wobei er davon ausgeht, dass wir sehr gut über unsere Körperempfindungen in der Lage sind, verschiedene Perspektiven einzunehmen und nachvollziehen zu können.
Verschiedene Standpunkte einnehmen
Ohne allzu detailliert auf das Konstrukt einzugehen – die Grundidee ist, dass sich die Coachees in vier verschiedene Positionen hineinversetzen: Die Ich-Perspektive, die des anderen, die eines neutralen Beobachters und die eines Beobachters, der sich das System anschaut. Sodann geht es darum, zu assoziieren, was man mit der jeweiligen Position verbindet. Danach wechselt man auf die Ebene der Interessen und schaut, wie sich dies anfühlt. Dann geschieht Verblüffendes: Es entsteht so etwas wie Verständnis, es wird klarer, was einem selbst und was dem anderen wichtig ist.
Nach dieser Erkenntnis fällt es den Parteien leichter, mögliche Optionen zu entwickeln, die beiden Interessen gerecht werden könnten. Wird dieses Coaching mit beiden nacheinander durchgeführt und anschließend gemeinsam die gefundenen Optionen verglichen, fällt es deutlich leichter, zu Vereinbarungen zu gelangen, die funktionieren. Weil, so der Autor, Lösungen entstanden sind, die „emotional und körperlich verankert und damit nachhaltig … wirksam“ sind.
Man mag dem theoretischen Modell skeptisch gegenüberstehen, aber mir erscheint die individuelle Arbeit an den Interessen hinter den Positionen durchaus sinnvoll zu sein. Aus klassischer Mediatorensicht ergeben sich hier vermutlich einige Fragen, mich würde interessieren, wer hier über Erfahrungen verfügt und diese teilen könnte.
1. Ich habe in solchen Situationen immer ein Einzelgespräch mit jedem Teilnehmer geführt mit der Fragestellung: Wollen Sie sich überhaupt dem Anderen nähern? Es gibt Situationen, wo es nicht möglich ist. Dann müssen beide getrennt werden. Versetzung. Möglicherweise auch Trennung.
2. Ich habe mit jedem Teilnehmer vorab seine Motiv,-Werte- und Begabunsgstruktur analysiert, mit der Fragestellung: Kann es sein, dass Sie den Konflikt auslösen? Wenn ja, was sind die Trigger?
3. Ich habe jeden Teilnehmer gebeten dem Gegenüber in einer gemeinsamen Sitzung sein Ergebnis offen legen.
4. Nun kann ich als Mediator oder Coach beginnen: Diskussion über die Situation, Reflexion über Erwartungen und Gefühle, ein gemeinsames Ergebnis festlegen. Controllingplan festlegen.
Als Externer dann Rechnung schreiben😀