KRITIK: Bekanntlich glauben erfolgreiche Menschen gerne, dass sie sich ihren Erfolg hoch verdient und ihn dank Können und Anstrengung erreicht haben. Also geben sie gerne Ratschläge und berichten über ihre Erfolgsgeheimnisse. Unter anderen natürlich auch, weil die weniger Erfolgreichen nur allzu gerne diese Tipps entgegennehmen. Was sie gerne verschweigen, ist die Rolle des Zufalls oder des Glücks auf dem Weg nach oben. So viel ist mal sicher: Nur durch Anstrengung, Können und Fleiß schafft niemand den großen Wurf.
Reinhard Sprenger behauptet in seiner Kolumne in der Wirtschaftswoche (Erfolge sind glückliche Singularitäten), dass der Zufall oder das Glück eine umso größere Rolle spielt, je erfolgreicher jemand ist. Also, so die logische Schlussfolgerung, sind die Tipps der Super-Erfolgreichen völlig nutzlos – ihr Erfolg hängt schließlich zu einem besonders großen Teil vom Glück ab.
Dem kann ich zustimmen, was aber nicht bedeutet, dass man nicht dennoch von ihnen etwas lernen kann. Setzt allerdings voraus, dass sie eben nicht nur von ihren Leistungen und Entscheidungen erzählen, von ihrem genialen Instinkt oder ihrem horrenden Arbeitseinsatz. Sondern auch sehr deutlich die Rolle des Zufalls beschreiben. Natürlich wird ein Weltklasse-Sportler, wenn er ehrlich zu sich selbst ist, neben dem Fleiß und der Zielstrebigkeit, eventuell der Vision, die er schon als Kind hatte, dann auch berichten, dass er bei einem Sichtungsturnier genau in dem Moment an der Reihe war, als ein Talentscout zufällig vorbei schaute.
Zufall …
Und er wird erzählen, dass er etliche Tiefs in seiner Karriere hatte und nur deshalb nicht aufgegeben hat, weil er Eltern hatte, die ihn weiter angetrieben und zum Training gescheucht haben. Soll heißen: Wenn ein „Idol“ lediglich berichtet, was sein eigener Anteil am Erfolg war, führt das zu falschen Schlussfolgerungen, nämlich denjenigen, dass man es ihm nur nachmachen muss, um ähnlich erfolgreich zu sein. Was eben nicht stimmt. Erklärt er allerdings auch ehrlich den Einfluss des Zufalls, können wir in etwa abschätzen, ob wir darauf vertrauen wollen oder uns lieber andere Ziele setzen.
In der Konsequenz bedeutet das aber, dass wir vermutlich mehr von den mittelprächtig erfolgreichen Menschen lernen können, bei denen das Glück eben nicht ganz so gewaltig zugeschlagen hat. Die aber werden sich wohl nicht so gut vermarkten lassen, also keine Bestseller veröffentlichen. Was uns jedoch nicht daran hindern sollte, sie aufzuspüren und ihnen zuzuhören. Und immer wieder mal nachhaken, wo denn der Zufall nachgeholfen hat.