KRITIK: Wie schön wäre das denn: Ideale Führungskraft trifft auf idealen Mitarbeitenden. Nachdem sich die Forschung seit gefühlter Ewigkeit daran abgearbeitet hat, den „einzig wahren Führungsstil“ zu finden, ist es doch nur logisch, auch mal zu untersuchen, ob es nicht auch den idealen Mitarbeitenden gibt. „Wird auch Zeit,“ wird sich so manche Führungskraft denken. „Immer geht es nur darum, was wir falsch machen. Dabei müssen wir uns doch täglich mit renitenten Mitarbeitenden rumschlagen.“
Forscherinnen der Otto Beisheim School of Management haben sich der Fragestellung angenommen. Sie haben 40 Interviews mit Führungskräften geführt, um zuerst einmal herauszufinden, welche Form renitentes Verhalten annehmen kann (Ich bin dagegen!). Um gleich klarzustellen, dass renitent nicht automatisch negativ bedeutet. Es kann durchaus sinnvoll sein, sich einer ausbeuterischen Führungskraft gegenüber ablehnend zu verhalten. Tatsächlich? Was zwangsläufig zu der ebenso sinnvollen Empfehlung führt, bei renitentem Verhalten auf die Beweggründe zu schauen. Aber das ist wohl ein anderes Thema (siehe unten).
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Gesucht: der toxische Mitarbeitende
Zunächst geht es erst einmal um typisch widerspenstiges Verhalten. Scheint in Mode zu kommen: Gesucht wird der toxische Mitarbeitende. Dazu wurden die Führungskräfte nach kritischen Situationen befragt und wie sich Mitarbeitende in diesen verhalten. Die Antworten wurden nach einem komplexen mathematischen System (Topic Modelling) ausgewertet, und siehe da: Es kommen fünf Formen renitenten Verhaltens heraus:
- Überzogenes Selbstbild: Der Betreffende hält sich für den Größten und für den einzigen, der wirklich arbeitet, hat immer Recht und setzt andere herab, um selbst besser dazustehen. 17% der Daten weisen auf diesen Typus hin.
- Übermäßige Kontaktsuche bzw. Kontaktvermeidung: Dabei sucht die Betreffende häufig die Nähe der Führungskraft, nervt mit ständigen Fragen oder vermeidet plötzlich den Kontakt zur Führungskraft und weicht ihr aus (16%).
- Aufwand minimieren: Der Betreffende reduziert die eigene Arbeitslast zulasten anderer, liefert absichtlich schlechte Leistungen ab, verschleppt Fristen und täuscht mit falschen Informationen (23%).
- Emotional schwankende Kommunikation: Die Mitarbeitende ist starken Stimmungsschwankungen unterworfen, verbreitet häufig schlechte Laune an schlechten und gute Laune an guten Tagen, brüllt auch mal rum (21%).
- Teamstruktur untergraben: Der Mitarbeitende zeigt destruktives Verhalten gegenüber dem Team, verbreitet Gerüchte über die Führungskraft, beschuldigt andere für eigene Fehler, beschwert sich ständig und ignoriert Absprachen und Regeln (23%).
Es folgte Teil 2 der Studie: Mit einem Fragebogen wurden 1.229 Führungskräfte online befragt, wobei den Forscherinnen klar war, dass die Gefahr sozial erwünschter Antworten besteht: Wer zugibt, dass er Probleme mit renitenten Mitarbeitenden hat, gibt ja indirekt zu, dass er bzw. sie Probleme mit der Führung hat. Was gegen die eigene Kompetenz spricht.
Sozial erwünschte Antworten erkennen
Das hat man nun clever gelöst: Gefragt wurde nicht nur, ob man solche Verhaltensweisen oft selbst erlebt, sondern auch, wie oft das genannte Verhalten allgemein auftritt. Dabei konnte man für genaues Schätzen (Mittelwert der Angaben) sogar etwas gewinnen. Tatsächlich gab es die Tendenz, bei den eigenen Mitarbeitenden weniger der genannten Verhaltensweisen als wahrscheinlich zu bezeichnen.
Was wurde am häufigsten genannt? Das überzogene Selbstbild (3,39 bei einer Skala von 5). Aber die Werte gehen nicht allzu weit auseinander.
Interessant: Es wurde auch der Zusammenhang zwischen Intelligenz der Führungskräfte bzw. ihren Persönlichkeitsmerkmalen und der Häufigkeit renitenten Mitarbeitendenverhaltens erfasst. Einfach dargestellt: Je intelligenter die Führungskraft, desto wenige renitentes Verhalten wird beschrieben (was Fragen aufwirft, oder?). Und hohe Werte bei Ehrlichkeit/Bescheidenheit, bei Extraversion und bei Verträglichkeit der Führungskräfte senkt die Wahrscheinlichkeit renitenten Verhaltens, bei hoher Offenheit steigt sie. Letzteres wird damit erklärt, dass offene Führungskräfte mehr Feedback einfordern und deshalb auch mehr unangenehme Reaktionen ernten („Die Geister, die ich rief …“)
Praktische Empfehlungen
Empfehlungen der Autorinnen: Weitere Forschung sollte sich mit der Frage befassen, warum Mitarbeitende sich so wie beschrieben verhalten, und was sie damit erreichen wollen. Und Führungskräften empfehlen sie, sich mit anderen Führungskräften auszutauschen, um so zu erleben, dass sie nicht allein dastehen. Und sie sollten ihre Haltung ändern: Solche Mitarbeitende nicht als Problem bejammern, sondern umdeuten „zu einer bewältigbaren Herausforderung.“ Und wenn all das nicht hilft, Hilfe von außen holen – z.B. beim Personaler.
Keine Frage: Es gibt Menschen, die sich in sozialen Situationen unangemessen verhalten – warum sollte das am Arbeitsplatz anders sein? Auch keine Frage: Das kann so mancher Führungskraft, aber auch allen anderen Kollegen, das Leben extrem schwer machen. Da ist dann irgendwann eine klare Ansprache gefragt und der Betreffende in die Verantwortung zu nehmen. Was manchmal hilft, aber wohl häufig doch zur Trennung führt. Ich kann noch nicht wirklich erkennen, welchen Nutzen die beschriebene Studie für die Praxis hat …