INSPIRATION: Erfolgreiche Unternehmer stehen irgendwann vor der Frage, ob sie weiter wachsen wollen. Wobei Wachstum in der Regel an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen festgemacht wird: Umsatz, Marktanteil, Ertrag… Ich kenne einen Unternehmer, der an seinem Standort sehr erfolgreich ist und in den letzten Jahren stetig wuchs. Als die Frage anstand, ob er seine Kunden auch an einem anderen Standort „bedienen“ könne, entschied er sich dagegen. Ein anderer zog es vor, an einen Konkurrenten, der auf aggressives Wachstum setzt, zu verkaufen und nur noch als Angestellter zu arbeiten.
In der managerSeminare berichtet Oliver Wegner von einem ähnlichen Fall (Wachsen statt platzen) und erklärt, dass es zwar „wachstumsneutrale“ Unternehmen gibt, die also bewusst darauf verzichten, die Anzahl von Kunden, Mitarbeitern als auch Umsatz und Ertrag steigern zu wollen. Stattdessen richten sie ihre Aufmerksamkeit auf andere Werte, z.B. Weiterentwicklung der Mitarbeiter, bilden Rücklagen für schlechtere Zeiten oder setzen auf soziale Verantwortung.
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Allerdings stellt er ein Phänomen fest: Solche Unternehmen wachsen oft trotz dieses bewussten Verzichts, dann allerdings „nachhaltig, ohne Verschleiß und Dauerstress„. Soll heißen: Wenn ein Unternehmen seine Kunden erfolgreich bedient, seine Mitarbeiter fördert und entwickelt und seine Produkte stetig verbessert, kommt es auf Dauer gar nicht daran vorbei zu wachsen. Kann das sein?
Ich denke schon. Bei den beiden von mir genannten Unternehmern, die ich schon lange kenne, herrscht eine sehr gesunde Unternehmenskultur. Beide Unternehmer legen viel Wert darauf, dass sie optimale Qualität bieten und das Wohlergehen der Mitarbeiter nicht leidet. Beide hatten nie die Absicht, die oben erwähnten betriebswirtschaftlichen Kennzahlen in die Höhe zu treiben oder gar Ziele wie „Wir sind die Nr. 1 auf den Gebiet…“ zu verfolgen.
Dennoch standen sie irgendwann vor der Wahl, Konkurrenten zu übernehmen oder selbst weitere Standorte aufzumachen. Nun kommt ein schöner Satz aus dem Artikel von Oliver Wegner: „Gesundes Wachsen ist zudem stets ein Mit-Wachsen und niemals ein Wachsen auf Kosten von…“ Bei beiden Unternehmern wäre Wachstum nur extrem auf Kosten der eigenen Zeit, der eigenen Gesundheit und der „Work-Life-Balance“ gegangen. Aber vermutlich irgendwann auch auf Kosten der Qualität, der Unternehmenskultur, des Umgangs mit den Mitarbeitern usw.
So nachvollziehbar ich beide Entscheidungen auch erlebt habe, so denke ich doch, dass es eine Alternative gegeben hätte. Denn beide Entscheidungen beinhalten ein Risiko: Im ersten Fall könnte ein Konkurrent in die Lücke stoßen und den Unternehmer irgendwann vom Markt drängen – einfach weil er die Leistungen zu günstigeren Konditionen anbieten kann. Im zweiten Fall könnte sich der Käufer, der stark auf externes Wachstum setzt, verheben und die Größe nicht mehr bewältigen. Wegner nennt das die „Blähfallle“. Was irgendwann zum Platzen und zum Verlust aller Arbeitsplätze, auch den des ehemaligen Inhabers führen könnte.
Und die Alternative? Sie steckt in Wegners Strategie-Tipp 1: Das Thema mit allen Betroffenen erörtern, allen Führungskräften und Mitarbeitern also. Darauf setzen, dass dort intelligente Lösungen gefunden werden, so dass einerseits gesundes Wachstum möglich ist, das Unternehmen bestehen bleibt und gleichzeitig der Unternehmer entlastet wird. Genau da nämlich sitzt das Problem: Wer seine Rolle an der Spitze nicht verändern will, der wird ein solches Wachstum teuer bezahlen.
Was wäre zum Beispiel, wenn sich aus der Riege der Führungskräfte jene melden, die sich eine stärkere Beteiligung gut vorstellen können? Die in dem wachsenden Unternehmen Aufgaben des Unternehmers übernehmen? Dann ändert sich zwar dessen Rolle, und er wird auch den Überblick über alle Geschäfte verlieren und seinen Anspruch, nach wie vor jeden Mitarbeiter zu kennen und Kontakt zu jedem wichtigen Kunden zu halten vermutlich nicht mehr aufrecht erhalten können. Oder aber er konzentriert sich ganz auf diese Rolle und gibt dafür andere strategische Aufgaben ab.
Will sagen: Wenn ein Unternehmen so erfolgreich ist, dass es von innen heraus wächst, dann ist klar, dass sich die Strukturen ändern müssen – und dass sich die Aufgabe des Unternehmers ändert. Insofern gilt auch der letzte Hinweis von Wegner: „Nur wer loslässt und abgibt, kann wachsen.„