21. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Hoffnung auf Entwicklung

INSPIRATION: Der Hotelchef Bodo Janssen erklärt im Interview seine Grundüberzeugungen, was ihn antreibt und die Rolle der Führungskräfte in seinem Unternehmen (Wir können Angebote machen …). Ein spannendes Beispiel, was das in der Praxis bedeutet, zeigte sich in der Pandemie. Am zweiten Tag des Lockdowns holte Janssen die zwölf Direktoren seiner Hotelkette per Zoom zusammen und stellte die Frage, wie das Unternehmen die Krise bewältigen kann. Jeder hatte drei Minuten Zeit, um seine Fragen, Ideen und Gedanken zu äußern. Keiner kommentierte, alle hörten nur zu. Nach einer Zeit des Schweigens folgte eine zweite Runde nach dem gleichen Muster. 

Das Erstaunliche: Anschließend hatte jeder die Antworten auf seine Fragen und wusste, was er vor Ort zu tun hat. Klingt erstaunlich? Auf den ersten Blick sicher. Wo sind die Entscheidungen? Der gemeinsame Fahrplan? Die Vorgaben von oben? Fehlanzeige. 


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Um das zu verstehen, muss man tiefer einsteigen in die Philosophie, die Anleihen bei den Benediktinern, dem Zen, der positiven Psychologie und der stoischen Philosophie macht. Und die sehr stark auf Selbstverantwortung setzt.

Die Wirtschaft als Mittel zum Zweck Mensch

Bei Upstalsboom ist die Grundlage allen Handelns, das Unternehmen als eine Plattform zu verstehen, damit „sich Menschen psychisch, physisch und sozial wohlfühlen.“ Anders ausgedrückt: „Der Mensch ist nicht Mittel zum Zweck Wirtschaft, sondern die Wirtschaft ist Mittel zum Zweck Mensch.“ Was natürlich sofort die Frage provoziert, ob man davon ausgeht, dass der wirtschaftliche Erfolg ohnehin kommt, wenn die genannte Basis stimmt. Die Antwort ist interessant: Das kann so sein und ist offenbar auch häufig so, muss aber nicht so sein. Gemeint ist damit nicht, dass wirtschaftlicher Erfolg noch von anderen Dingen abhängt wie dem Marktumfeld oder dem Geschäftszweck, sondern tatsächlich von der Entwicklung der Mitarbeiter. Soll heißen: Selbst wenn die Rahmenbedingungen optimal sind – man kann nicht über die Entwicklung von Menschen verfügen. Ebenso wenig über Vertrauen, über Verantwortung, Glück und Zufriedenheit. Dennoch investiert man bei Upstalsboom nicht in den Return on Invest, sondern in „die Hoffnung auf eine Entwicklung, die dann letztendlich zu diesem Staunen führt, was täglich im Arbeiten entstanden ist.“

Klingt etwas esoterisch? Vielleicht wird es klarer, wenn man weitere Passagen betrachtet. Es wird viel ausprobiert, jedes Hotel ist eine Art Labor. Dort dürfen sich die Menschen versuchen. Führungskräfte sind zum Inspirieren und Begleiten da, sie machen Angebote zur Entwicklung. Ihre wichtigsten Eigenschaften sind Geduld, Gelassenheit und Demut – das ist weit entfernt vom Managerbild des Helden. Dazu passt auch, dass man holokratisch organisiert ist, aber noch nicht überall. Offenbar bestimmt jedes Hotel sein Tempo selbst. Die Mitarbeiter werden aufgefordert, sich in Peer Groups zu treffen und ihre Erfahrungen auszutauschen. Es gibt gemischte Gruppen, in denen der Direktor und der Praktikant zusammen arbeiten. In Schulungen sitzen auch Externe und Angehörige, nicht nur Mitarbeiter.

Der Mensch als Mittelpunkt des Unternehmens

Wie ernst es gemeint ist mit dem Menschen als Mittelpunkt des Unternehmens zeigt sich auch an dem Beispiel eines Direktors eines sehr erfolgreichen Hotels auf Föhr. Bei allem Erfolg erkannte er durch die Beschäftigung mit der Philosophie des Unternehmens, dass es für ihn noch Wichtigeres gab. Er hatte einen behinderten Bruder, machte eine therapeutische Ausbildung und entwickelte ein Hotel für Menschen mit Behinderung. Für Janssen ist ein solcher Fall ein wunderbarer Beleg, dass die Idee funktioniert – es geht nicht um das Unternehmen, sondern um die Menschen.

Auch auf weitere kritische Fragen bleibt er keine Antwort schuldig. Was passiert, wenn ein Mitarbeiter trotz allen Vertrauens und aller Angebote nicht mitzieht oder seine Haltung einfach nicht passt? Da gibt es ein klares Verfahren. Erst spricht ihn der Kollege an, dem das Verhalten auffällt. Ändert sich nichts, spricht das Team mit ihm. Ändert sich immer noch nichts, entscheidet das Team, ob derjenige weiter im Team bleiben kann. Fällt die Entscheidung einstimmig, muss der Mitarbeiter gehen, aber solange einer dabei ist, der noch an eine Entwicklung glaubt, kann er bleiben, aber derjenige, der an ihn glaubt, ist dann gefordert, sich zu kümmern.

Sektierisch?

Was antwortet Janssen auf Vorwürfe, das alles erinnere doch stark an eine Sekte? Zum Beispiel in Kommentaren auf sozialen Medien? Man habe gute Erfahrungen damit gemacht, solche Leute einzuladen, deren Kritik zeige oft auf, was man besser machen kann. Außerdem gibt es alle zwei Jahre eine Entwicklungswerkstatt mit Menschen aus allen möglichen Bereichen wie Politik oder Wissenschaft. 

Ob man nicht auch mit Werkzeugen und Methoden des Wettbewerbs arbeiten muss ebenso wie mit bürokratischen Tools? Die Antwort ist auch wieder klar: Solange die Zahlen, Formulare, Checklisten dem Menschen dienen und nicht umgekehrt, ist es okay. Die Frage lautet immer: Was ist Mittel, was ist Zweck?

Und schließlich auch sehr spannend: Man arbeitet daran, das Unternehmen in eine Stiftung zu überführen, die Satzung wurde mit den Mitarbeitern erarbeitet. So kann der Gewinn zu 100% wieder in die Entwicklung der Menschen fließen. Außerdem nimmt er damit seinen Kindern die unbewusste Bürde, in seine Nachfolge treten zu müssen.

Sehr konsequent, damit löst er auch das Problem, dass die letzte Entscheidung immer beim Unternehmer bleibt …

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