PRAXIS: Ein Mitarbeiter kommt zum Vorgesetzten und berichtet über ein Problem, das er mit einem Kollegen hat. Er möchte aber auf keinen Fall namentlich in Erscheinung treten. Wie verhält man sich als Führungskraft?
Eine ganz heikle Angelegenheit. Dazu eine kleine, aber wahre Begebenheit. Eine Mitarbeiterin beklagt sich bei ihrem Chef, dass eine Führungskraft aus einem anderen Bereich sie und das ganze Team als unfähig bezeichnet hat. Auch ihr Chef sei namentlich genannt worden, der es wohl nicht schaffe, Ordnung in seinen Laden zu bringen. Sie möchte aber nicht, dass ihr Name genannt wird.
Der Chef spricht den Kollegen an und verbittet sich die Einmischung. Doch der andere schwört, dergleichen nie geäußert zu haben. Später kommt die Mitarbeiterin wieder zu ihrem Chef und erzählt, die Angriffe würden immer massiver. Der Chef führt erneut ein Gespräch, doch wieder will der Kollege von nichts wissen. Die Atmosphäre ist völlig vergiftet.
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Ein Einzelfall? Wohl kaum. Ein Gespräch, das mit Formulierungen wie: „Man hat mir zugetragen…“ – „Jemand hat mir im Vertrauen erzählt…“ beginnt, ist schon eine Sackgasse. Wenn Sie sich diesen Satzanfang sagen hören, sind Sie schon in eine Falle getappt. Warum? Der Fehler beginnt an der Stelle, wo Sie die erste Information erhalten. Wenn Ihnen jemand etwas erzählt, Sie aber bittet, seinen Namen nicht zu erwähnen, dann missbraucht er Sie. Er möchte, dass Sie etwas für ihn unternehmen und damit für ihn die Verantwortung (und die möglichen Konsequenzen) tragen. Ihre einzige Chance ist, an dieser Stelle die Verantwortung zurückzugeben: „Ich verstehe Ihren Ärger (Zorn, Betroffenheit) und möchte auch reagieren. Aber das kann ich nur, wenn Sie zu Ihrer Aussage stehen und ich mit darauf berufen kann.“
Das mag, je nachdem wie gravierend der Vorfall ist, sehr rücksichtslos klingen. Aber wenn Sie nicht so reagieren, sitzen Sie zwischen allen Stühlen.
Lehnt der Mitarbeiter dies ab, können Sie versuchen, gemeinsam mit ihm andere Möglichkeiten zu suchen, um das Problem zu lösen bzw. ergründen, worin genau seine Befürchtungen bestehen. Vielleicht findet sich ja eine Möglichkeit, die befürchteten Konsequenzen abzumildern. Gelingt das nicht, bleibt Ihnen nichts anderes übrig als das Problem zurück zu geben und den Mitarbeiter bitten, sich selbst darum zu kümmern.
Verantwortung übernehmen
Die Erfahrung, die Mitarbeiter machen, wenn Sie wie beschrieben reagieren, sollten so aussehen: „Mein Chef steht zu mir, wenn ich auch zu dem stehe, was mich betrifft.“ Natürlich sollten Sie immer dann, wenn der Mitarbeiter einverstanden ist, dass sein Name genannt wird oder er persönlich Stellung bezieht, auch wirklich hinter ihm stehen. Haben Sie einmal eine solche Reaktion gezeigt, können Sie davon ausgehen, dass „anonyme“ Anfragen der Vergangenheit angehören.
„Alles schön und gut“, bekomme ich auf diese Empfehlung zu hören. „Was aber ist, wenn ich diese Information nicht ignorieren kann? Wenn es zu gravierend ist und auf jeden Fall ‚behandelt‘ werden muss?“ Wenn der Mitarbeiter sich weigert, zu der Information zu stehen und anonym bleiben will und auch sich auch nicht selbst an die geeignete Stelle wenden will (z.B. Personalabteilung, Rechtsabteilung oder sogar die Polizei), dann kündigen Sie ihm an, dass Sie sich kümmern werden und versuchen, ihn aus der Sache herauszuhalten. Allerdings, das sollten Sie auch so deutlich sagen: Für den Fall, dass es zur weiteren Klärung unvermeidlich ist, würden Sie preisgeben, von wem Sie die Information haben.
Das Signal, das Sie damit nicht nur an ihn, sondern auch an alle anderen senden, lautet: „Übernehmt Verantwortung für euch selbst. Ich unterstütze euch, aber ich nehme euch nicht die Verantwortung komplett ab!“