KRITIK: Mehr verdienen, weniger arbeiten – ein netter Ansatz. Wie geht das? Indem man Führungsverantwortung übernimmt, sich die Stelle aber mit einer Kollegin teilt. Joint Leadership bzw. Topsharing, früher eher bekannt unter Doppelspitze, nennt sich das. Und so allmählich spricht sich herum, welche Chancen das Modell bietet. Bei einer Befragung von 60 Tandempartnern berichteten diese von weniger Stress, weniger Druck, besserem Schlaf, besseren und kreativeren Entscheidungen – einfach weil man nicht mehr allein ist, sondern sich mit jemandem austauschen kann und weiß, dass man eben nicht allein ist (Geteilte Führung ist doppelte Führung).
Was es benötigt, dass die Tandems funktionieren? Einige der genannten Faktoren sind: Die Partner müssen sich sympathisch sein, ähnliche Werte vertreten und eine „gelungene Mischung gleicher und unterschiedlicher Kompetenzen“ aufweisen. Besser ist es also, wenn sie sich bereits kennengelernt haben. In den aufgeführten Beispielen gibt es einige, die sich einfach gemeinsam auf eine Führungsposition beworben haben. Und damit die Zusammenarbeit auch klappt, ist es gut, wenn die beiden zum Teil parallel arbeiten, also z.B. an mindestens einem Tag beide anwesend sind.
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Was die Aufgaben betrifft, unterscheidet man zwischen „Pairing und Splitting“. Sind die Zuständigkeiten klar getrennt, ist das Splitting, sind beide gleichermaßen für alles verantwortlich, ist es Pairing. In der Praxis findet man offenbar alle möglichen Mischformen. Witzig: Die Personalinformationssysteme müssen offenbar angepasst werden – klar, welche Software erlaubt es, zwei Namen in ein Kästchen des Organigramms zu schreiben, eine echte Herausforderung.
Passung feststellen
Wie aber stellt eine Organisation sicher, dass sich auch die Richtigen finden? Die Stadtwerke München wollen den Frauenanteil in Führungspositionen erhöhen und haben hierfür Joint Leadership entdeckt. Mit der (nachvollziehbaren) Begründung: Es würden vermutlich mehr Frauen sich hierfür bewerben, wenn sie die Chance hätten, sich eine Führungsposition zu teilen. Um die Passung festzustellen, hat man sich an das gute alte Assessment Center erinnert. Natürlich gibt es eine Vorauswahl, in der die Eignung zur Führungskraft ermittelt und die Passung zu den Stadtwerken geprüft wird. Offenbar werden hier externe Kandidaten für diese Stellen gesucht, wo man sich schon fragt, ob es nicht genügend Bewerber im eigenen Haus finden.
Mit Assessment Center
Und dann findet das AC als Einzelveranstaltung statt, in dem Beispiel mit einer Führungskraft, die den Job schon innehat sowie dem ihr unbekannten Sharing-Partner. Beide füllen einen Persönlichkeitstest aus, sollen eine fachliche Aufgabe gemeinsam lösen und haben dafür zwei bis drei Wochen vor dem AC Zeit zur Vorbereitung. Im AC präsentieren beide das Ergebnis einem Personaldiagnostiker und der übergeordneten Führungskraft. Danach bearbeiten beide eine weitere Aufgabe, aber allein, während der andere ein Einzelinterview absolviert. Dann diskutieren die Kandidaten die Ergebnisse ihrer Einzelarbeit (ohne Beobachter) und stellen dann die Ergebnisse des anderen vor. Am Ende gibt es „Speed Questions“, bei denen die Führungskraft eine Reihe von Fragen stellt und um spontane Antworten bittet (Die richtige Partnerwahl).
Hier wird berichtet, dass der Stelleninhaber zeitlich arg beansprucht wird. Bei zwei bis drei externen Kandidaten muss er das Verfahren ja mehrfach durchlaufen, schwer vorstellbar. Bekommt er dafür immer eine neue Aufgabe? Und was, wenn ihm keiner der Kandidaten sympathisch ist oder auf seiner Wellenlänge liegt?
Offenbar ist das Verfahren erst einmal durchgeführt worden, ob es die gewünschten Ergebnisse bringt, lassen die Autoren offen, sondern vermuten nur, dass es „wahrscheinlich zu besseren Auswahlentscheidungen“ führt. Und gestehen ein, dass bei Tandems, die sich selbstständig bilden und bewerben, diesen überlassen wird, die Passung festzustellen. Da fragt sich der Leser einmal mehr, warum überhaupt Kandidaten von außen eingestellt werden und sofort auf Führungspositionen gehievt werden. Gibt es intern nicht genügend Interessen? Sollte sich ein Neuling nicht erst einmal im Job bewerben, bevor man ihn als Co-Leader einsetzt? Meine Prognose: Von dem Verfahren hören wir nie wieder etwas.