15. April 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Keine Zeit für Bescheidenheit

INSPIRATION: Coaches zeigen signifikant höhere Ausprägungen hinsichtlich Grandiosität als die Normalbevölkerung. Das ist doch mal eine Schlagzeile! Ob der Plot aber für einen Patricia-Highsmith-Roman reicht? Gute Frage …

Keine Frage: Wir leben in Zeiten, die eher narzisstisch geprägt sind. Und das liegt vor allem an den Möglichkeiten, die Social Media bieten. Früher musste man, wenn man berühmt werden wollte, in die Politik, dann ins Fernsehen. Heute – in Zeiten der Aufmerksamkeitsökonomie – ist man irrelevant, wenn man nicht in Social Media präsent ist; und dort eine große Follower-Schar um sich versammeln kann. Sind wir heute also verdammt zur Extraversion? Und zum Protzen? Diese Perspektive legt der Beitrag der Autoren nahe (Der talentierte Mr. Coach?).


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Die Einzelunternehmer:innen trifft es da noch härter: Von ihrer Sichtbarkeit hängt ihr wirtschaftlicher Erfolg ab. Und die Coaches sind zudem Dienstleister. Ihre Werke sind in der Regel immateriell und intangibel, wie die Dienstleistungspsychologie weiß; man kann sie nicht besichtigen oder anfassen (Qualität der Dienstleistung ‚Coaching‘). Dienstleister sind daher abhängig von ihrem Renommee. Und das müssen sie pflegen. Damit sie weiterempfohlen werden. Denn das ist ihr entscheidender Kundengewinnungshebel.

Großartigkeit aus Prinzip

Und was erwartet das Publikum? Vertrauenswürdigkeit. Also gilt es, eine attraktive Website, eine entsprechende Adresse und Räumlichkeiten zu besitzen. Man muss sympathisch wirken. Deshalb ist man gut beraten, einen entsprechenden Habitus zu pflegen und Sichtbarkeit herzustellen. Impression Management ist angesagt (Coaching-Kompetenzen).

Zudem: Kompetenz. Also Selbstsicherheit, Durchsetzungskraft, Entscheidungsfreudigkeit und Extraversion. Und nicht: Bescheidenheit, Differenzieren, Problematisieren – solches ist eher abträglich. Lösungen sind gefragt. Und Umsetzer, Welterklärer – keine Zweifler. Signalling nennt man das im Marketing: man muss Eindruck schinden (Eine ökonomische Analyse des Coaching-Marktes).

Je tougher im Auftritt und je mehr „one fits all“ im Lösungsangebot, desto mehr Menschen fühlen sich offenbar angesprochen. Und das gelingt über Social Media. Der Zugang ist niedrigschwellig, kostengünstig und die Reichweite kann enorm sein.

Narzissmus: It takes two to tango

Was wäre jedoch ein Großartiger ohne Bewunderer? Führungskraft und Coach, Coach und Follower: Sie brauchen sich gegenseitig. Zur Selbstbespiegelung und zur Selbstbeweihräucherung. Es gilt, so manches minderwertige Ego aufzuwerten. Eine zirkuläre Beziehungsdynamik. „Möglicherweise fühlen sich Menschen mit narzisstischen Tendenzen auch vermehrt zur Profession Coaching hingezogen, da sie durch die erlebte Wirksamkeit und das Feedback von Klienten und die oftmals damit verbundene Weiterempfehlung Bewunderung erfahren können.“ – Kleine Nebenbemerkung: Sozusagen das Gegenteil zu „Hilfe zur Selbsthilfe“, mit dem viele Business-Coaches und ihre Verbände werben. Der Markt sagt: Ich will Ratschläge! Ich will einen Meister!

Im Rahmen der jährlichen Coaching-Umfrage 2022, die vom artop-Institut der Humboldt-Universität zu Berlin durchgeführt wurde, wurde dieses Themenfeld nun erkundet. Neben den üblichen Fragen wurde den 559 Teilnehmenden der Online-Umfrage auch ein Persönlichkeitsfragebogen sowie fünf Items zur Facette Grandiosität von Narzissmus vorgelegt.

Berufskrankheit: Wasser predigen …

„Die Resultate liefern Evidenz dafür, dass Coaches höhere Werte auf der eingesetzten Skala zur subklinischen Erfassung der Facette Grandiosität ausweisen. Dieser Unterschied ist am größten bei Item 5 (‚Ich weiß, dass ich gut bin, weil ich das immer wieder gesagt bekomme‘).“ Na, das ist doch mal ein Statement! Aber es ist Meilen entfernt vom Blick auf die Risiken und Nebenwirkungen, die vor etlicher Zeit Coaching-Forscher Carsten Schermuly eben auch für Coaches berichtete (Ein Branchen-Tabu): Psychisches Wohlbefinden, soziale Integration … bis hin zum Gefühl der Unterbezahlung. Die Anzahl der Nebenwirkungen liege bei Coaches dreimal so hoch wie bei Klienten.

Mit zunehmendem Alter nehmen die grandiositätsbezogenen Tendenzen ab. So dass die Forscher insgesamt schließen, „dass jüngere Coaches, die für das Top-Management arbeiten, höhere Grandiositätswerte aufweisen, unabhängig von Geschlecht, Qualifikation und Einkommen.“ Wird man mit dem Alter bescheidener, weiser?

Es bleiben sicher einige Fragen offen. Die Forscher:innen benennen selbst einige datentechnische Vorbehalte, die einen Schatten auf die Repräsentativität werfen. Trotzdem liegt jetzt eine erste, nachdenklich stimmende wissenschaftliche Studie zur Fragestellung vor. Damit wird meines Erachtens der Scheinwerfer auf die Themen Ausbildung und kontinuierliche Supervision gerichtet. Aber auch auf das Thema: Positionierung.

Zu dumm, dass der Begriff Coach ungeschützt ist, und damit die Aspekte Ethik und Qualität zu wenig Verbindlichkeit haben. Mit der Forderung eines Mindestalters für Coaches würde man sich allerdings bloß lächerlich machen.

Mr. Ripley

Ach, da wäre noch die Anspielung auf den Roman von Patricia Highsmith. Dieser Stoff rund um einen Hochstapler wurde im Jahr 1999 von Anthony Minghella verfilmt: Der talentierte Mr. Ripley. In den Hauptrollen u.a.: Matt Damon (als Tom Ripley), Gwyneth Paltrow (als Marge Sherwood), Cate Blanchett (als Meredith Logue) … etliche Auszeichnungen. Vielleicht wird es für den Coach mal wieder Zeit, ins Kino zu gehen … Wegen der Psychohygiene. Oder um ein paar Anregungen zu bekommen? Aber aufpassen: Hochmut kommt vor dem Fall!

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Thomas Webers

Dipl.-Psych., Dipl.-Theol., Fachpsychologe ABO-Psychologie (DGPs/BDP), Lehrbeauftragter der Hochschule Fresenius (Köln), Business-Coach, Publizist

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