9. Dezember 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Leuchtende Augen – und die Porzellankiste

KRITIK: Was für ein schöner Begriff: Resonanz! Da schlagen alle Herzen höher. Es denkt sich so jede/r ihren/seinen Teil. Und unterstellt sogleich der/dem anderen, sie oder er würde dasselbe denken. Und alle haben leuchtende Augen!

Ach, ich bin wieder gehässig. Und das in der Vorweihnachtszeit! Doch ich bedauere, statt vom „Leuchtende-Augen-Index“ würde ich lieber von „Bullshit-Bingo“ sprechen. Denn was Hartmut Rosa, seines Zeichens Soziologie-Professor und Bestseller-Autor, da zum Besten gibt (Führungsaufgabe Resonanz), mag man als süße vorweihnachtliche Dominosteine durchgehen lassen und vernaschen. Doch richtig satt macht solche Süßigkeit nicht.

Im Jahr 2016 erschien sein Buch „Resonanz – Eine Soziologie der Weltbeziehung“. Und katapultierte ihn in die Bestenliste. In seiner Resonanztheorie „geht es um die ‚Weltbeziehung‘ des Menschen, sein Lebensgefühl im Verhältnis zu anderen Menschen, der Gesellschaft, dem Weltganzen.“ Er hat den Begriff der Akustik entnommen. Doch Resonanz ist eine Metapher. Womit wir gleich in einem schönen Sprachspiel unterwegs sind. Aber auch wissen, dass Vergleiche hinken.

Ein schönes Sprachspiel (Wittgenstein)

Vor allem, weil noch nicht einmal eine anständige Theorie geliefert wird. Stattdessen Gesäusel: „Resonante Beziehungen sind also immer von Selbstwirksamkeit geprägt, zudem typischerweise von intrinsischem Interesse, Angstlosigkeit, Freude und ‚Joint Attention‘.“ Ist das gewöhnungsbedürftig? „Du rufst hinein, löst etwas damit aus, und es kommt etwas Sinnvolles zurück, da ist Resonanz.“ Da könnte man doch gleich ein schlechtes Gewissen bekommen – oder leuchtende Augen: Als Führungskraft wünscht man sich solches vermutlich. Dass die Mitarbeitenden endlich das tun, was man von ihnen verlangt! „Es werden Wolf und Lamm friedlich beieinander wohnen“ (Jes. 11,6). Halleluja!

Es wird leider im Folgenden nicht klarer: „Resonanz ist kein zusätzliches To-do, sondern eine Haltung und Querschnittsaufgabe, die alle Aspekte der Arbeit durchdringt.“ Noch so ein Buzzword: Haltung (Das gewisse Etwas). Oder noch schriller: Eine „soziale Energie (…) die Lust auf Zusammenarbeit macht“. Offensichtlich glaubt da jemand, den Stein der Weisen gefunden zu haben. Mama mia, größer geht’s nicht?

Welle oder Teilchen?

Doch, geht. Wenn es nämlich mal keine Resonanz gibt, dann sind die Systeme schuld. „Ansetzen muss man also bei den Systemen, denn genau diese verhindern oft systematisch Resonanz, weil sie den Menschen keine Spielräume lassen und auch keine Möglichkeit, auf sie einzuwirken.“ Bescheidene Zwischenfrage: Was sind Systeme? Darauf bekommt der Leser leider keine Antwort. Weder eine Definition noch eine Theorie – wie sie beispielsweise die Synergetik als Systemtheorie (Ganzheitliche Psychologie) liefern würde (Emergenz, Attraktor, Kontrollparameter …). Stattdessen wohlklingendes Beraterlatein à la Resonanzoasen versus -wüsten sowie: „Durch deinen Arbeitsplatz hast du das Gefühl, dass du Teil hast an dem lebendigen Ganzen.“

Tja, mit dem Gefühl ist das so eine Sache. Das wäre noch einmal ein anderes (ernsthaftes!) Thema (Zwei menschliche Betriebssysteme). Wenn man eine ausgearbeitete Theorie hätte, könnte man konkret werden. Aber ohne verbleibt man im Vagen, Schwammigen – und heischt offensichtlich nach „Resonanz“. – Oder sind das nur Irrlichter? Spiegelungen, Self-fulfilling Prophecies?

Noch eine letzte Frage an den Autor und sein Konzept: Was ist denn mit Dissonanz, mit Dissens? Ist nicht der Konflikt die Mutter der Porzellankiste? Der Keim von Innovation? – Zu viele Süßigkeiten, sagt man, verderben den Magen.

Teile diesen Beitrag:

2 Gedanken zu “Leuchtende Augen – und die Porzellankiste

  1. Vielen Dank für den kritischen Blick auf eine in ihren Kernaussagen durchaus relevenate soziologische Betrachtung. Hilfreich wäre es, wenn sowohl Herr Rosa als auch seine Kritiker berücksichtigen würden, dass die Übertragung von Konzepten mit ihren Sprachspielen aus verschiedenen Disziplinen immer mit einer Verzerrung einher gehen wird und diese reflektieren und erläutern würden. Wenn das in vielen Disziplinen seit langer Zeit bekannte Phänomen der Resonanz, mit all den Implikationen, die Rosa noch hineinstrickt, erst auf das Feld der Soziologie und dann im zweiten Anlauf auf das Feld von Organisation übertragen wird, bringt das Verfremdungen mit sich. Die können sowohl nützlich als auch problematisch sein. Das ist nichts neues, ähnliches lässt sich beobachten bei der mittlerweile inflationären Anwendung Luhmann’scher Ideen im Organisationsbereich. Nur statt einer Antwort mit einem Sprachspiel gustatorischer Natur, würde ich mir wünschen entsprechende die empirische Sozialforschung zum Resonanzphänomenen zu verfolgen und den für das Verständnis von Gesellschaft durchaus sinnhaften Kern mit konkreten Folgeüberlegungen weiterzuführen, z.B. wo es nützlich wäre die systemtheoretische engführende Prämisse funktionaler Differenzierung, das psychologisch mittlerweile gut verdaute Denkwerkszeug der Synergetik mit dem eher unscharfen Konzept von Wechselwirkung der Resonanz zu kontrastieren und zu komplementieren – wobei man einem Narrativ der Naturwissenschaft folgen würde, die solche Theoriemelangierungen schon seit längerem kennt, das aus solchen eklektischen Assioziationsspielen grober Unfug wie auch sinnstiftende neue Ideen entstehen können, meist wohl beides.

    1. Lieber Markus,
      Danke für den Kommentar. Den Hinweis auf die Synergetik (übrigens eine Struktur-, keine Natur-Wissenschaft) teile ich gerne. Bei MWonline finden sich bspw. mehrerer Hinweise auf die Veröffentlichungen von Jürgen Kriz, einen prominenten Vertreter der Synergetik. Nun habe ich hier lediglich das Interview mit Rosa besprochen und kommentiert. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, würde ich die Diskussion um Resonanz gerne einmal qualifiziert vertiefen …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert