INSPIRATION: Ich starte mal mit einem Bekenntnis: Ich bin einer von jenen, die Macht „einseitig negativ betrachten“. Damit gehöre ich wohl zu den „Macht-Asketen“ oder „Macht-Skeptikern“. Das, so die Autorin in der managerSeminare, ist aber keine gute Einstellung, denn wer so denkt, der überlässt möglicherweise „die Machtarenen skrupelloseren Playern“ (Keine Macht ist auch keine Lösung). Und er verzichtet möglicherweise darauf, wichtigen Ideen zum Durchbruch zu verhelfen, oder gar darauf, „ethische Standards zu verteidigen“.
Die Idee, die dahintersteckt: Wenn man Gutes bewirken will, braucht man Macht. Ohne diese sind wir – nun ja, eben machtlos. Mit ist schon klar, dass dieses zweifellos schwierige – und in Organisationen wohl auch mit einem Tabu belegten – Thema nicht in einem MWonline-typischen kurzen Format zu umfassend zu behandeln ist. Daher greife ich hier nur einige Teilaspekte auf.
Anzeige:
Personal- und Organisationsentwicklung, die über Trainings- und Prozessoptimierung hinausgeht.
Wir glauben an die unbegrenzten Entwicklungsmöglichkeiten von Menschen, Strukturen und Prozessen. Unsere Mission ist es, Personen und Unternehmen bei dieser Entwicklung zu begleiten und sie dabei zu unterstützen, ihre Ziele zu erreichen.
Zur Webseite...

Ich bin mir nicht sicher, ob in vielen derartigen Veröffentlichungen die Begriffe „Macht“ und „Einfluss“ synomym verwendet werden. Ich habe mal ChatGPT befragt und zitiere (muss man eigentlich bei ChatGPT-Zitaten diese als solche kennzeichnen?): „Macht zwingt, Einfluss überzeugt“ (Übrigens: Als wörtliches Zitat bei Google eingegeben, wird es nicht gefunden. Sieh an!). Das entspricht in etwa meinem Verständnis: Mit Macht kann ich andere zwingen, auch wenn sie nicht überzeugt sind, etwas zu tun oder zu unterlassen. Mit Einfluss kann ich sie überzeugen, etwas zu tun oder zu unterlassen.
Macht und/oder Einfluss?
Kann man prima bei Eltern beobachten: Sie zwingen ihre (kleinen) Kinder, den Fahrradhelm aufzusetzen, wenn es ihnen nicht gelingt, sie zu überzeugen. Später, wenn die Kleinen groß geworden sind, schwindet die Macht, dann hilft nur noch Überzeugung.
Wie komme ich an Einfluss? Indem ich kommuniziere, immer mal wieder beweise, dass ich von etwas Ahnung habe, meine „Prognosen“ zutreffen, meine Hinweise hilfreich sind. Je häufiger andere diese erfahren, umso eher vertrauen sie mir und lassen sich überzeugen. Und ich werde gefragt, meine Meinung zählt. Hat ein Influencer Macht über andere? Ich würde sagen: Hat er nicht, aber er hat großen Einfluss.
Nun stimme ich der Autorin eher zu: Wer die Fähigkeit hat, Einfluss zu erlangen, aber darauf verzichtet, der überlässt anderen das Feld. Menschen, die Unsinn reden. Oder die Macht haben und diese missbrauchen.
Womit wir beim zweiten Begriff sind, um den es hier geht. Wie kommen Menschen an Macht? Indem sie diese von anderen verliehen bekommen. Oder indem sie sich diese mit Gewalt verschaffen. Lassen wir mal zweiteres außen vor und schauen in Organisationen: Eine Führungskraft erhält die Macht von oben verliehen. Ein gewählter Vertreter einer Organisation von unten. Damit werden ihm Instrumente an die Hand gegeben, andere zu etwas zu zwingen. Zur Not auch zu ihrem Glück.
Und damit habe ich ein Problem. Ich verstehe, dass man Menschen mit Macht ausstattet, um Unheil zu verhindern. Einem Polizisten zum Beispiel. Einem Richter. Aber bei Führungskräften bin ich mir schon nicht mehr sicher. Das gängige Argument: Manchmal braucht man jemanden, der andere zwingt, damit es voran geht. Ja, in Krisensituationen, wenn für Überzeugung keine Zeit bleibt. Aber sonst?
Starkes Motiv?
Was ist mit der Erfahrung, dass es nun mal „Macht-Menschen“ gibt? Also Menschen, die nach Macht streben? In der Tat gibt es ja neben dem Leistungs- und dem Freundschafts- auch das Machtmotiv (Drei Motive). Wobei ich hier wieder mit dem Begriff hadere. So wie es Menschen gibt, die über ein starkes Leistungsmotiv verfügen, andere über ein starkes Streben nach Geselligkeit, so gibt es auch das Bedürfnis danach, Einfluss zu nehmen, Dinge zu verändern, etwas zu bewegen.
Nun wird es schwierig: Ich kann eben Dinge auch verändern, indem ich andere dazu zwinge. Wenn mich andere in eine Position heben, in der ich die hierfür nötigen Mitteln an die Hand bekomme (z.B. die Macht, Beförderungen auszusprechen, andere zu versetzen, abzumahnen oder gar zu entlassen), dann verändert das Menschen. Warum sollten sie ab jetzt mühsam versuchen, andere zu überzeugen, wenn sie mit einfachen Anweisungen das Gleiche erreichen?
Und wenn dann noch andere Interessen im Spiel sind, wenn jemand in der entsprechenden Position z.B. mit ungünstigen Werten ausgestattet ist, dann besteht natürlich die Gefahr, dass er seine Macht missbraucht.
Was kann man dagegen tun? Der übliche Tipp: Zum einen dafür sorgen, dass nicht die Falschen in solche Positionen gelangen. Zum anderen die Inhaber der Positionen schulen, sie zur Reflexion anregen, Macht thematisieren und enttabuisieren. Meine Empfehlung wäre (keine Überraschung): Sie erst gar nicht in diese Position bringen.
Informelle „Macht“?
Keine gute Idee, bekomme ich dann zu hören. Wo diese Positionen nicht besetzt werden, findet dennoch Machtausübung statt, eben informell. Und das, so die These ist noch gefährlicher. Aber ist das so? Bekommen in solchen Organisationen einzelne Mitglieder von anderen Ressourcen verliehen, mit denen sie wiederum andere zu etwas zwingen können?
Ja, vielleicht bin ich da naiv. Wenn es keine von oben eingesetzte „Leader“ gibt, dann suchen sich Menschen durchaus manchmal selbst welche aus. Weil es nun mal bequem ist, Verantwortung abzugeben. Und vielleicht nutzen auch einzelne ihre Gabe, Einfluss zu erlangen, diesen zu ihrem eigenen Vorteil aus. Daher wäre meine Empfehlung auch, in jeder Organisation regelmäßig sich mit den Entscheidungsprozessen zu beschäftigen und diese kritisch zu beleuchten. Was in agilen Organisationen ja auch passiert, Stichwort „Retrospektive“.
Führungskräfte regelmäßig zu „überprüfen“, sie zu schulen, wenn sie mit ihrer Macht nicht angemessen umgehen, sie zur Reflexion anzuhalten, sie gegebenenfalls auszutauschen, für sie andere Aufgaben zu finden – all das ist weitaus aufwändiger und der Lerneffekt für alle (verglichen zu der Auseinandersetzung mit Entscheidungsprozessen) deutlich geringer.
es gibt kein machtvakuum, weil wir sozialen wesen immer danach streben, in der rangordnung weiter nach oben zu kommen.
Interessantes Menschenbild – Menschen streben also immer danach, über anderen zu stehen, das Prinzip der Rangordnung ist ein Naturgesetz? Könnte es nicht auch ein Prinzip des Miteinanders, des „sich-gegenseitig-ergänzen“ geben?