11. Oktober 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Macht New Work krank?

KRITIK: New Work verspricht eine neue, bessere Arbeitswelt. Aber könnte die Einführung von New Work nicht auch eine zusätzliche Belastung sein? Also Auswirkungen auf die Gesundheit der Mitarbeitenden haben? Was tun?

„So geraten neu gewonnene Freiheiten durch Arbeitszeit- und Arbeitsortflexibilisierung schnell zum Stressfaktor,“ vermuten die Autoren Duchek und Striebing (Resilienz und New Work), „wenn New Work nicht ganzheitlich gedacht und ihre Implementierung nicht durch begleitende Maßnahmen unterstützt wird.“ Daher fokussieren sie auf das Thema Resilienz. Die PERSONALquarterly wartet in ihrer neuen Ausgabe gleich mit einem ganzen Schwerpunkt zum Thema auf, der mich aber nicht flasht.


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Resilienz als Kernkompetenz?

Die Implementierung als Chance statt Bedrohung wahrzunehmen, das wäre folglich die Stoßrichtung der Autoren. Ob man dafür allerdings Resilienz als „Kernkompetenz“ hypen muss? Ich wäre da doch etwas vorsichtiger. Ist der Trend nicht unübersehbar, mal wieder einseitig aufs Individuum zu schielen (Verhaltensprävention) und die Verhältnisprävention zu vernachlässigen? Dass für die New-Work-Implementierung das Thema Kultur wesentlich ist, darauf hat New-Work-Evangelist Carsten Schermuly längst selbst hingewiesen (Dosenöffner für das agile Mindset). Und fundierte Kritik am Konzept New Work haben wir auch längst vernommen (Ich war noch niemals in New Work).

Die Autoren, übrigens IAO-Forschende, argumentieren, dass New-Work-Maßnahmen potenziell zu mehr psychologischem Empowerment führten. Grundsätzlich sei New Work geeignet, „die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden zu verbessern“. Wo ist dann das Problem? Es liege im Wort „grundsätzlich“. Menschen seien verschieden und die Unternehmen auch. Eine Mittelwert-Argumentation vernachlässige folglich die Streuung. Aha.

Die Knackpunkte

Unsicherheit und Ängste sind mit jeder Veränderung verbunden. Die zunehmende Nutzung digitaler Tools und Technologien bei der Implementierung kann beanspruchend sein (Stichworte: ständige Erreichbarkeit oder Online-Kommunikation). Homeoffice hat nicht nur Vor-, sondern auch Nachteile (wie soziale Isolation). Die Aufzählung dieser „üblichen Verdächtigen“ durch die Autoren vermag mich nicht zu überzeugen. Sie können, müssen aber nicht mit New Work assoziiert werden. Zudem erscheint mir die Darstellung etwas undifferenziert zu sein.

Doch Resilienz wird nun als Lösungsansatz im Kontext von New Work in Stellung gebracht. Da gäbe es einerseits die individuellen Resilienzressourcen (Digitale Kompetenzen, Kommunikationsfähigkeit, Offenheit & Lernbereitschaft etc.), also Eigenschaften und Fähigkeiten sowie Einstellungen und Emotionen. Andererseits die situativen Resilienzressourcen (soziale Unterstützung und positives Teamklima). Beide wirken auf Resilienzfähigkeiten (Antizipation, Bewältigung, Anpassung) ein. Wie auch die schon genannten Belastungen (Veränderung, Digitalisierung, Homeoffice). Fertig ist das schnuckelige Wirkungsmodell. Und es liegt damit gleich auf der Hand, was Unternehmen tun können: fachliche Weiterbildungen, Persönlichkeitsentwicklung bis hin zu Teambuilding-Programmen. Also alles wieder überwiegend Verhaltensprävention … Aha.

Und die Moral von der G’schicht‘?

Tja, an der Stelle muss es dann doch mal klar gesagt werden: Die Argumentation der Autoren ist nicht nur arg blass. Sie entspricht auch nicht dem State of the Art. In der Arbeitspsychologie ist schon seit Jahrzehnten anerkannt, dass zwischen Belastungen und Beanspruchungen zu unterscheiden ist; nachzulesen auch in der ISO 10075. Wenn hier von den Autoren mehr oder weniger die Drohkulisse des Burnouts an die Wand gemalt wird, fehlt nicht nur das konträre Stichwort „Work Engagement“. Sondern eben auch das Arbeitsanforderungen-Arbeitsressourcen-Modell (Bakker & Demerouti). Warum ein solch vorkritischer Beitrag in einem „Wissenschaftsjournal“ erscheinen muss, entzieht sich schlicht meiner Vorstellungskraft. Wir sind bei diesen Themen deutlich weiter.

Es kann fahrlässig sein, auf den Zug modischer Begriffe (Resilienz) aufzuspringen. Leicht führt das – nach dem Motto „Reim‘ dich oder ich fress‘ dich“ – dazu, wieder in vorkritische Zeiten zurückzufallen (Unkaputtbar?). Nicht nur schade. Wir brauchen das auch mitnichten. Im Gegenteil.

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