INSPIRATION: New Work ist ein süßes Versprechen. Oder wird gar zu viel versprochen? Ist New Work nicht auch ein Kind des Zeitgeistes? Was wäre dann die Frage, auf die New Work eine Antwort geben soll?
New Work kann nicht nur als Emanzipation und Befreiung gesehen werden, so Autor Michael Zirkler (Die Versprechungen „neuer Arbeit“ – eine kritische Betrachtung). Man muss die „Bewegung“ auch als notwendige Reaktion auf spätkapitalistische Anforderungen verstehen. Die moderne Welt hat Komplexitätsgrade entwickelt, die kaum anders zu bewältigen sind als mit einem utopischen Gestus. „New Work ist eine versuchte Antwort in Reaktion auf Marktliberalisierungen und Globalisierung ab den 2000er-Jahren.“
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Im Prinzip führt die Unterscheidung zwischen alter und neuer Arbeit in die Irre. Denn letztlich gehe es um den „Versuch, das alte Problem der Bewirtschaftungslogik von Humanressourcen einmal mehr anders zu lösen“. In systemischer Betrachtung – Autor Zirkler bezieht sich hier auf den Altmeister Peter Kruse – existiert nichts ohne Kontext. Und im Kontext habe es gravierende Verschiebungen gegeben: Der Personalmarkt habe sich gedreht – vom Angebots- zu einem Nachfragemarkt. Fachkräfte sind rar und werden händeringend gesucht. Die gut ausgebildeten und erfahrenen Kräfte können sich die Positionen und die Bedingungen zunehmend aussuchen. Oder sie bestimmen diese sogar (Job Crafting).
Die Quadratur des Kreises
Wie löst man nun „das alte Problem der Bewirtschaftungslogik von Humanressourcen“? Mit einem Paradox: Der Drang zur Selbstverwirklichung soll in vermarktbare Leistung überführt werden. Oder anders ausgedrückt: Die Selbstorganisation muss organisiert werden. Und das geschieht mittels drei Versprechen:
- „Purpose“ wird zum Leitmotiv: „Arbeit ist nicht mehr verordnet, sondern sinnvoll, und weil sie sinnvoll ist, kann man in ihr wirklich aufgehen.“
- Agilität verschiebt das manageriale Entscheidungsproblem: Von der – latent überforderten – Hierarchiespitze zur Basis. Dorthin, wo die potenziell größte operationale Kompetenz und Marktkenntnis liegen.
- Führung eröffnet Möglichkeitsräume: Statt command & control übt sie sich in Begleitung und Ermöglichen.
Win-win oder Lose-lose?
Das sieht – vordergründig betrachtet – nach einer Win-win-Situation aus. Bei näherer Betrachtung offenbart sie sich jedoch als eine labile Übergangsphase. Autor Zirkler benennt einige Bruchlinien:
- Spannungen und Widersprüche: „Die Versuche, nach innen „sinnvoll“ mit Hilfe von New-Work-Ansätzen zu operieren, werden alsbald von Refokussierungen auf den Markt abgelöst.“
- Transformationsschmerzen: Die Umstellung von Fremd- auf Selbstorganisation ist mühsam und langwierig. Da verliert gar mancher die Geduld und Hoffnung – und gibt auf.
- Indirekte Leistungssteuerung und Selbstgefährdung: Appelle an Resilienz, die lediglich das Individuum anzielen, schlagen in eine latente Tendenz zur Selbstausbeutung um, was gesundheitsgefährdend ist.
- Soziale Entropie: Der Trend hin zu „sozialen Netzwerken, loser Koppelung, multiplen Gemeinschaften“ begünstigt den „‘Zerfall‘ in vielfache lokale Kulturen, Handlungsweisen“. Wer oder was hält dann „das Ganze“ zusammen?
- Müdigkeit und Erschöpfung: „In der Hochleistungsgesellschaft kann man sich nur noch an sich selbst abarbeiten.“ Im Bild gesprochen sehe ich einen Hund vor der Dose, die man ihm an den Schwanz gebunden hat, weglaufen. Das endet tendenziell im Burnout.
- Eliteprojekt: Das New-Work-Versprechen richtet sich bislang überwiegend an die gebildeten, urbanen Menschen. Für die anderen, die in „normalen“ Jobs arbeiten, blieb alles beim Alten (Down to earth). Oder es droht ihnen nun Schlimmeres – der „digitale Taylorismus“ (Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt).
„Die ‚neue‘ Arbeit ist und bleibt Arbeit.“ Autor Zirkler schließt mit einem ernüchternden Fazit – das sich nahtlos in den Chor anderer kritischen Stimmen einreiht (Rasender Stillstand).