7. Oktober 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Down to Earth

INSPIRATION: Ist New Work ein Bürohengst-Thema? Dafür würde sprechen, dass es so häufig bloß mit Homeoffice gleichgesetzt wird. Ist es also kein Thema für direkte Bereiche wie die Produktion? Eine spannende Frage.

Die Mitarbeiter in der Produktion oder im Handel können kaum Homeoffice machen, sie müssen vor Ort anwesend sein. Ist New Work also kein Thema für diese Beschäftigtengruppe? Mitnichten meint Autor Markus Väth (Ein undankbares Pflaster für hippe New-Work-Start-ups). Das Potenzial sei riesig. Schließlich gehe es auch dort um Produktivität und Motivation. Warum also hört man kaum von der Umsetzung im Blue-Collar-Bereich?


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Weil New Work bei den Kopfarbeitern scheinbar leichter umzusetzen sei. So die erste Antwort, die allerdings unterschlägt, dass erst der massive Einsatz von Online-Arbeit im Zuge der Corona-Pandemie dazu führte, New Work verkürzend mit Homeoffice gleichzusetzen. Seien wir ehrlich, ohne Corona hätten wir heute die Homeoffice-Diskussion auch im Bürobereich nicht. Die Mitarbeitenden in den direkten Bereichen schauten derweil in die Röhre und fühlten sich benachteiligt. Daraus könnte man auch den Schluss ziehen, dass New Work in Wirklichkeit in allen Bereichen bis heute nicht wirklich angekommen sei. Oder eben nur als Homeoffice-Karikatur. Was ja auch die Ergebnisse des New-Work-Barometers (Wasch‘ mir den Pelz, aber …), in meinen Augen zeigen.

New Work: missverstanden?

Das würde sich mit der zweiten Argumentationslinie von Autor Väth decken: New Work werde häufig als Maßnahmenkatalog missverstanden. Da geht man wie im Supermarkt schnell ein paar Sachen einkaufen. „Seht mal, was der Chef Euch mitgebracht hat:“ „So wie man Eier oder Cornflakes aus dem Regal holt, holt man sich halt Berater und Beraterinnen für agiles Arbeiten, digitalisierte Arbeitsplätze oder Anbieter von schön designten Büromöbeln ins Haus.“ Doch die kommen eben aus der schönen neuen Bürowelt und kredenzen ihre Wohlfühloasen. Die nun mal nicht in die Produktion, den Handel oder die Welt der Lieferdienste passen. Also schickt man sie unverrichteter Dinge wieder nach Hause.

New Work basiere aber als Arbeitsphilosophie, so hat es die humanfy New Work Charta beschrieben, allerdings auf fünf allgemeinen Prinzipien: Freiheit, Selbstverantwortung, Sinn, Entwicklung und sozialer Verantwortung. Der Autor hat an der Charta mitgearbeitet. Diese Prinzipien ließen sich auch im Blue-Collar-Bereich umsetzen, wenn man das denn wollte. Die Frage müsste folglich richtig gestellt lauten: Wie können die Prinzipien Freiheit oder Selbstverantwortung hier umgesetzt werden?

Gruppenarbeit als Vorläufer?

Die Antworten überraschen – aber nur auf den ersten Blick. Denn sie sind zum Teil altbekannt. (Teil-)autonome Schichteinteilung? Das hatten wir doch alles schon einmal. In den 1990er- oder Nuller-Jahren. Das wäre doch kein Hexenwerk. Oder eine Erhöhung des eigenverantwortlichen Budgets zur Bestellung notwendiger Arbeitsmittel? Oder die Mitbestimmung über das Warenangebot einer Supermarktfiliale? Die Möglichkeiten zur Erweiterung von Freiheit und Selbstverantwortung sind vielfältig – und die Mitarbeitenden wissen übrigens meist am besten, was geeignet wäre.“

Sind diese sozialen Innovationen verschwunden? Ging der Gruppenarbeitswelle die Luft aus? Oder warum wurde sie im Laufe der Zeit wieder abgeschafft? Hat sich hier die Schwerkraft alter Managementkonzepte wieder durchgesetzt? Die Theorie X nach McGregor? Hier könnte man spekulieren und diskutieren. Interessanterweise finden wir in derselben Ausgabe von changement auch einen Beitrag über Gruppenarbeit. Und zwar bei der Berliner Stadtreinigung. Autor Jens Großmann (Eine gute Investition in die Zukunft, aber kein Selbstläufer) zeigt schön auf, wie das funktioniert und warum das etwas bringt. Da fährt eben keine Kolonne stumpf die Straßen ab, sondern das Team überlegt eigenständig, wo öfter geleert werden muss. Statt in Arbeitsteilung sich nur um eine Aufgabe zu kümmern, entscheidet das Team sich zu einem ganzheitlichen Vorgehen und bündelt verschiedene Aufgaben. Ich bin beeindruckt. Und ich denke, die Kundschaft in Berlin auch.

Vier Fragen für ein Halleluja

Wo sind die Nachahmer? Ob man das nun Gruppenarbeit oder New Work nennt, soll mir ziemlich egal sein. Meine Meinung ist eh, dass beides aufeinander aufbaut und man das Rad nicht neu erfinden muss. Wie und wo auch immer man neue Arbeitsorganisationsformen einführt, Autor Väth rät dazu, vor Ort jeweils vier Fragen zu beantworten:

  • Welches Problem soll New Work lösen?
  • Welches Verständnis von New Work haben wir?
  • Wie realistisch sind unsere Erwartungen?
  • Welche Ressourcen stehen uns zur Verfügung?

Lautet die Antwort beispielsweise, Mitarbeitende sind ein Kostenfaktor, wir setzen lieber auf Digitalisierung, ist New Work, das auf den Menschen setzt, die falsche Lösung. Wenn kein gemeinsames Verständnis von New Work im Unternehmen vorherrscht oder man völlig unrealistische Erwartungen hegt, ist ein Scheitern vorprogrammiert. „Leider brechen manche Organisationen ihre Reise zu New Work auf dem Höhepunkt der Schwierigkeiten vorzeitig ab; dadurch ist das Thema „verbrannt“, und eine Organisation ‚lernt‘: New Work ist nichts für uns.“ Ebenso ist es verkehrt, New Work in Krisenzeiten implementieren zu wollen, wo eh „die Hütte brennt“.

New Work kann in Zeiten des Fachkräftemangels helfen, Innovationen fördern und die Produktivität erhöhen. Doch ist es kein Zaubermittel. Seine Einführung ist voraussetzungsreich – wie schon die Autoren des New-Work-Barometers sagten.

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