13. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Management-Gimmick

INSPIRATION: Das ist bitter: Unternehmen sind auf der Suche nach ihrem „Purpose“, und Stefan Kühl nennt all das ein „Management-Gimmick“. Seine Wette: Schon bald wird niemand mehr über „Purpose Driven Organizations“ reden („Die Suche nach dem Purpose verleiht sektenhafte Züge“). Und dennoch: Es gibt einen Zusammenhang zwischen Sinn und Produktivität, wissenschaftlich nachgewiesen.

Damit setzt sich Heiko Weckmüller in der wirtschaft + weiterbildung auseinander, er hat sich Studien zu dem Thema genauer angeschaut (Corporate Purpose: Mode oder Must-have?). Zunächst kritisiert er die typischen Mittelwertvergleiche großer Unternehmensberatungen, die zu Ergebnissen kommen wie „Sinnorientierte Unternehmen haben ein viermal höhere Wachstumsrate im Vergleich zu anderen Unternehmen.“ Solche Vergleiche sagen nichts über die Kausalität aus, deshalb sind hieraus abgeleitete Empfehlungen, sich sofort auf die Suche nach dem Unternehmenssinn zu machen, eher wertlos.


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Wissenschaftlich seriöser sei eine lesenswerte Studie von Claudia Gertenberg et al., die Daten zum individuellen Sinnerleben auswerteten und deren Zusammenhang zum Unternehmenserfolg, gemessen am EBIT untersuchten. Ohne Ergebnis! Also tatsächlich nichts anderes als ein „Management-Gimmick“? Nicht ganz. Die Forscher nahmen sich noch mal alle Daten vor, die aus umfangreichen Mitarbeiterumfragen stammten. Diese wurden faktorenanalytisch ausgewertet – soll heißen, es wurde geschaut, ob sich bestimmte Muster aus zusammenhängenden Fragen ergaben.

Purpose-Clarity

Tatsächlich fanden sie vier Faktoren, und einer davon lässt sich beschreiben als „purpose-clarity“. Und als sie die Werte dieses Faktors in Beziehung zum Unternehmenserfolg setzten, fanden sie einen signifikanten Zusammenhang. Das bedeutet – mit aller Vorsicht – wohl Folgendes: Unternehmen, in denen Mitarbeiter einen klaren Sinn in ihrer Tätigkeit sehen, sind auch wirtschaftlich erfolgreicher als anderer. Was jetzt nicht so wirklich verwundert und mit vielen Forschungsergebnissen aus den letzten 40 Jahren übereinstimmt. Wer seine Arbeit als sinnvoll empfindet, engagiert sich stärker, fühlt sich mehr verantwortlich (Commitment) und ist auch zufriedener. Und dass Unternehmen mit solchen Mitarbeitern dann auch wirtschaftlich erfolgreicher sind, ist zumindest erleichternd.

Also lohnt sich die Suche nach dem Sinn für Unternehmen? Weckmüller hält nicht viel von Initiativen, den Unternehmens-Purpose zu definieren und dann über Workshops in die Organisation zu tragen. Und liegt damit wohl auf der Linie von Kühl. Stattdessen sollte man sich lieber auf die Dinge konzentrieren, deren Effekt auf das individuelle Sinnerleben nachgewiesen ist: Autonomie fördern, Hierarchien abbauen, eine Vertrauenskultur schaffen usw. Dafür muss man keine „Purpose-Diskussion“ führen, sondern kann durch Mitarbeiterbefragungen herausfinden, wie es um das individuelle Sinnerleben bestellt ist.

Mit anderen Worten: In einer Organisation, die sich schwer tut, einen bestimmten übergeordneten „Purpose“ zu definieren, können Mitarbeiter durchaus ihre tägliche Arbeit als höchst sinnvoll erleben. Und umgekehrt: Ein wunderbar formulierter und breit ins Unternehmen getragener Sinn muss noch lange nicht dazu führen, dass der einzelne Mitarbeiter seine Tätigkeit als sinnvoll erlebt. Wer Konzepte für die Schublade entwirft, dem ist es völlig schnurz, ob sein Unternehmen die Welt rettet oder spritfressende Luxuslimousinen verkauft.

Trotzdem Sinn sehen

Kühl geht noch ein bisschen weiter: Wenn es über die „Purpose-Suche“ gelänge, alle Mitarbeiter hinter einem höheren Sinn zu versammeln, dann nehmen sich Unternehmen sogar die Flexibilität, in Krisenzeiten reagieren zu können. Wenn sie hingegen vor allem profitabel sein wollen und ihr Zweck darin besteht, jedem Mitarbeiter pünktlich sein Gehalt zahlen zu können, dann wirft es sie auch nicht aus der Bahn, wenn der „eigentliche Zweck“ mal verloren geht.

Also den „Purpose“ getrost vergessen? Finde ich nicht. So wie man Mitarbeiterbefragungen macht, könnte man sich doch in den Vorstandsetagen hin und wieder mal über die Frage austauschen: „Was ist denn der Sinn unseres Tuns, unserer täglichen Arbeit?“ Wenn es den Zusammenhang zwischen persönlichem Sinnerleben und Erfolg gibt, dann wäre es doch der größte Hebel, wenn die Manager an höchster Stelle einen Sinn in dem sehen, was sie tun. Statt also große Initiativen zu verkaufen, könnten Berater dem Auftraggeber ganz einfach die Frage stellen: „Als wie sinnvoll erleben Sie denn Ihre eigene Arbeit?“ Da werden sie die eine oder andere Überraschung erleben …

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