PRAXIS: Das erscheint auf den ersten Blick eher seltsam: To-do-Listen, mit denen wir den Tag beginnen, führen wir uns nur selbst hinters Licht. Mehr noch: Sie führen dazu, dass die wichtigen Dinge eher noch weiter aufgeschoben werden. Tipp des Hirnforschers: Schreiben Sie lieber „Not-to-do-Listen“ (Heute: Not-to-do-Liste schreiben), so gelesen in der Wirtschaftswoche.
Aber der Reihe nach: Es gibt bekanntlich jede Menge digitaler Tools, die uns helfen sollen, produktiver zu sein. Solche Apps wurden angeblich sieben Milliarden mal heruntergeladen. Vor Jahren allerdings schon haben Forscher die Statistiken einer solchen App ausgewertet und eine interessante Entdeckung gemacht: Über die Hälfte der dort notierten Aufgaben wurden noch am gleichen Tag erledigt. Ist doch prima, sollte man meinen. Zu dumm nur, dass die meisten davon eher banale Kleinigkeiten waren. Die wirklich wichtigen und eher langfristigen Dinge fristeten ein Dasein als „digitale Karteileichen“.
Die Erklärung des Neurowissenschaftlers: Unserem Gehirn ist unser zukünftiges Ich egal. Es kümmert sich um dieses Ich nicht wirklich, es behandelt es vielmehr wie eine völlig andere Person. Und dieser anderen Person werden die langfristigen Aufgaben übertragen, damit ist man im Hier und Jetzt den Druck schon mal los. Wenn sie dann noch in einer App festgehalten wurden, dann fühlen sie sich auch schon an wie „fast erledigt“. Stimmt tatsächlich: Es fühlt sich schon mal gut an, wenn es irgendwo steht, dann hat man sich ja immerhin bereits gekümmert. Und kann sich dann den Kleinigkeiten zuwenden, die schnell und zügig erledigt werden und mit Genugtuung gelöscht werden können.
Toter Briefkasten
So sammeln sich die wichtigen Aufgaben, verstopfen unsere Listen und warten auf ihre Erledigung. Normalerweise würde jetzt der Tipp kommen, die wichtigen Aufgaben in kleine Teilschritte zu zerlegen, sie in kleine Stücke schnipseln, damit sie nicht wie schwere Brocken im Weg liegen. Wohl dem, der so vorgeht. Ist aber nicht immer so einfach.
Henning Beck hat einen anderen Tipp parat: Erstellen Sie eine Not-to-do-Liste. Schreiben Sie auf, was sie NICHT tun wollen. Und lassen Sie die Finger von den Produktivitäts-Tools.
Ich gestehe, dass ich erst mal verwirrt war. Ich soll aufschreiben, worum ich mich am nächsten Tag nicht kümmern will? Beim zweiten Nachdenken aber sicherlich keine schlechte Idee. Denn das kennen wir doch auch: Schauen wir am Abend auf die Punkte, die noch auf der Liste stehen und überlegen, was wir alles stattdessen gemacht haben, fällt oft auf, wie viel von letzterem überhaupt nicht aufgeführt war. Oder steht bei Ihnen auf der To-Do-Liste: E-Mails lesen – Twitter-Meldungen lesen – Whatsapp-Nachrichten beantworten …?
Eben. Was wäre nun, wenn wir solche Tätigkeiten auf eine Negativliste setzen und uns damit Zeit für die wichtigen Dinge, die wir vor uns herschieben, freischaufeln? Oder mehr noch: Wir möchten eigentlich gerne endlich unsere Steuererklärung fertig stellen und natürlich steht sie auf der To-Do-Liste. Wie wäre es, wenn wir uns morgens aktiv dafür entscheiden, sie eben heute NICHT zu machen? Weil wir ohnehin schon wissen, dass wir uns nicht daran setzen werden, und dann ja auch gleich diese Entscheidung treffen können. Und uns dafür mit gutem Gewissen anderen Dingen zuwenden können …
Ich für meinen Teil werde es probieren.