INSPIRATION: Es ist noch nicht lange her, da wurde Unternehmen empfohlen, sogenannte Personas zu erstellen. Sie sollten bestimmte Kundentypen anschaulich beschreiben und das eigene Handeln, z.B. in Sachen Marketing, aber auch Produktentwicklung, auf diese Typen ausrichten. Die Entwicklung der Personas geschah aus dem Bauch heraus. Die Zeiten sind vorbei. Heute können Algorithmen aus unfassbaren Datenmengen Persönlichkeitsmerkmale ermitteln, z.B. auf Basis der Big Five, das nennt man psychografisches Targeting.
Das funktioniert in etwa so: Menschen stellen ihre Persönlichkeitsprofile den Unternehmen zur Verfügung, diese wiederum verfügen über viele Daten, was das Einkaufsverhalten betrifft. Damit lässt sich herausfinden, dass Extravertierte eher Geld für Restaurantbesuche ausgeben, Introvertierte eher Elektrogeräte oder Bücher kaufen, Gewissenhafte sparen und Kleidung für ihre Kinder erwerben und Leichtfertige in Fast Food und Handys „investieren“. Damit können Unternehmen ihre Marketingkampagnen steuern: Gewissenhafte erreichen sie besser mit Zahlen und Fakten, andere mehr mit spannenden Geschichten.
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Wie man das z.B. als Hotelkette oder in der Tourismusbranche nutzen kann, wird in dem Beitrag einer US-Wissenschaftlerin (Bisschen Psycho) sehr anschaulich dargestellt. Natürlich verbunden mit konkreten Empfehlungen für alle, die hier ihre Chance wittern. Hier kommen die Tipps:
Konkrete Empfehlungen
- Überlegen Sie sich, wofür Sie die Methode nutzen möchten. Wenn Sie selbst schon viele Daten über das Verhalten Ihrer Kunden besitzen, nutzen Sie diese, denn dann wissen Sie ja schon, was die Kunden wünschen. Aber wenn Sie neue Kunden ansprechen wollen, über deren Verhalten Sie noch nichts wissen, dann helfen Ihnen die Kenntnisse über ihre Persönlichkeitsprofile. Wie Sie daran kommen? Z.B. über die Auswertung von Likes auf Facebook – die nämlich verraten eine Menge über Persönlichkeitseigenschaften.
Und wenn Sie Ihre Marketing-Botschaften optimieren möchten: Dann sollten Sie z.B. Anzeigen an Extravertierte anders gestalten als jene, die sich an Introvertierte wenden. - Nutzen Sie die Erkenntnisse auch für den direkten Kundenkontakt. Tatsächlich machen gute Verkäufer oder Kundenbetreuer schon heute nichts anderes. Sie wissen, dass sie bei dem einen Kunden mit Smalltalk anfangen müssen, beim anderen besser direkt zur Sache kommen sollten. Wenn Sie psychografisches Targeting nutzen, können Sie die Erkenntnisse nun allen Verkäufern zur Verfügung stellen. Dann bekommen diese angezeigt: „Achtung, extravertierter Kunde – mit Smalltalk starten!“ Und der Kunde freut sich. Per künstlicher Intelligenz werden wir so „eine höhere Ebene der menschlichen Intuition erreichen“.
- Sie können Ihre Kunden auf neue Angebote aufmerksam machen. Während der Klassiker darin besteht, Kaufempfehlungen aus vergangenem Verhalten abzuleiten (Kunden, die häufig X gekauft haben, haben auch Y erworben), kann man nun passend zur Persönlichkeit auch ganz andere Produkte vorschlagen.
- Nutzen Sie die Technologie ethisch verantwortungsvoll. Hier wird es spannend. Den skeptischen Leser graust es bei der Vorstellung, dass er vielleicht deshalb gerade mit einer netten Geschichte unterhalten wird, weil auf dem Bildschirm des Kundenberaters der Hinweis auftaucht: „Small Talk!“ Was aber, wenn man als Kunden einbezogen wird? Das ist nämlich die erste Empfehlung. Wenn wir wissen, dass der Anbieter unsere Facebook-Daten ausgewertet hat oder uns sogar vorher fragt? Wenn er uns sogar die Erkenntnisse zur Verfügung stellt nach dem Motto: „Laut unserer Auswertung sind Sie eher introvertiert und ziemlich gewissenhaft.“ Und uns dann bittet, unser Profil selbst zu überarbeiten, damit er uns passende Botschaften und Angebote schicken kann?
Ich stelle mir vor, ich stehe an der Rezeption eines Hotels und werde begrüßt mit: „Guten Tag, Herr Thönneßen. Wie ich sehe, gehören Sie zu den Menschen, die gerne etwas Spannendes erleben, die Abwechslung lieben. Da hätten wir folgendes im Angebot…“ So wie man mir vielleicht auch schon gleich am Anfang mitteilt, dass man weiß, dass ich Vegetarier bin und mich auf das spezielle Menü an diesem Tag aufmerksam macht.
Der nächste Tipp: Man möge sich fragen, ob man selbst ein Problem damit hätte, wenn Anbieter all das über einen wüssten, oder über die eigenen Kinder. Immer eine gute Frage. Und schließlich: Man sollte nicht nur ans Verkaufen denken. Die Technologie lässt sich ebenso nutzen, um etwas für das Gemeinwohl zu tun. Um beim Hotel zu bleiben: Wenn das psychographische Targeting z.B. auch dafür genutzt würde, um jeden Typen unterschiedlich darauf hinzuweisen, wie er Wasser sparen kann. Oder Lebensmittelverschwendung vermeiden kann.
Damit wären wir, wie so oft, wenn es um neue Technologien geht, bei den Chancen und Risiken. Möchte ich, dass mir jemand Dinge anbietet, die zu mir passen? Auf meine individuellen Wünsche eingeht? Natürlich. Möchte ich, dass er, um das zu tun, auf Analysen der Daten, die ich irgendwo hinterlasse, zurückgreift von Anbietern, die ihm diese Analysen zur Verfügung stellt? Warum nicht, wenn ich dem vorher zugestimmt habe. Andererseits: Möchte ich, dass mir irgendwann nur noch das präsentiert wird, was irgendwelche Algorithmen als zu mir passend herausgefiltert haben? Eher nicht. Aber um die Dinge kennen zu lernen, die angeblich nicht zu meiner Persönlichkeit passen, muss ich mich dann selbst kümmern. Oder aber es gibt irgendwann die Möglichkeit, selbst zu entscheiden nach dem Motto: „Jetzt hätte ich gerne ein Angebot für Extraverierte. Heute lieber mal eins für Neurotische. Oder nein, diesmal ist mir nach weniger gewissenhaft.“
Die Welt wird dadurch sicher nicht einfacher.