11. Oktober 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Reden allein reicht nicht

REZENSION: András Wienands – Einführung in die körperorientierte systemische Therapie. Carl-Auer 2023.

Wenn man einmal drüber nachdenkt, erscheint es wirklich paradox: Warum denken wir bei Therapie sogleich und überwiegend an Reden? Aber das ist ja nicht nur im Bereich der Therapie so. Auch in der Kommunikation mit Mitarbeitenden, mit Kunden … wir reden aufeinander ein. Er oder sie muss es doch verstehen, muss sich doch endlich überzeugen lassen … Und wenn sie noch nicht überzeugt sind: weiter reden!


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Ich denke, es handelt sich dabei um eine (alte) Kulturtechnik. Eine, die wir schon von Kindesbeinen an eingeübt haben, und die wir schlicht nicht infrage stellen oder diskutieren. Aber: reden reicht nicht! Das wissen wir schon lange. Zuhören wäre nun auch eine tolle Idee. Keine Frage. Aber es gibt noch weitere basale Möglichkeiten der Kommunikation. Ist es nicht frappierend, dass wir diese so wenig auf dem Schirm haben? Watzlawick und Kollegen haben das in ihren Kommunikationsaxiomen schon Ende der 1960er-Jahre auf den Punkt gebracht: Axiom Nr. 4 lautet: „Menschliche Kommunikation bedient sich analoger und digitaler Modalitäten.“

Nun ist mit digital nicht Whatsapp gemeint. Das verstehen die Digital Natives oft nicht (so schnell). Sondern Sprache. Und analoge Kommunikation ist nonverbal. Wie die Körpersprache, wie Bilder, wie der Tanz oder Rituale. Damit umzugehen, fällt uns zivilisierten Menschen heute nicht so leicht. Ist das nicht stark interpretationswürdig? Definitiv – aber Sprache auch, wir verdrängen das nur zumeist. Was noch einmal ein anderes Thema wäre.

Basaler Modus der Kommunikation

Jedenfalls gibt es Zugangswege zum Menschen, die häufig weniger genutzt werden: körperorientierte Modi. Die Erkenntnis ist schon älter. Wilhelm Reich, ein Schüler von Sigmund Freud, gilt als Begründer dieser Therapierichtung, und etliche Schüler haben dies weiterentwickelt. Autor Wienands beschreibt die Geschichte knapp, aber übersichtlich in Kapitel 2. Und er grenzt sie von rein körperlichen Verfahren wie Yoga etc. ab. Wenn auch diese Therapieschule eine kleine, feine Außenseiterrichtung blieb, werden doch zentrale Konzepte seit den 1990er-Jahren durch neurowissenschaftliche Erkenntnisse mehr als bestätigt. Man denke nur an das Konzept Embodiment (Die Rückkehr der Gefühle). Ebenfalls in den Blick geraten seitdem: Emotionen. Ansätze wie das Zürcher Ressourcenmodell haben solches aufgegriffen. Ohne damit in den Bereich der Therapie gehen zu wollen. Das ZRM® versteht sich als Selbstmanagementansatz.

Nun wäre das noch einmal eine eigene Diskussion: Wo beginnt Therapie? Ich kürze einmal ab und lenke den Blick auf die systemische Beratung. Autor Wienands gibt im ersten Kapitel einen Überblick über verschiedene systemische Perspektiven. Wie kommen nun diese beiden Sichtweisen zusammen: das Systemische und die Körperorientierung? Das ist ein erhellender Clou, den der Autor anzubieten hat: „Im Wesentlichen tue ich nichts anderes, als mit meinen Klienten neben einer verbalen auch eine körperliche Ebene der Interaktion zu kreieren.“ Statt bloß zu reden, „tanzt“ man also miteinander. Es wird eine weitere Dimension eröffnet.

Die Körperlichkeit als neue Dimension

In Kapitel 3 erfährt die Leserin, die aus der systemischen Arbeit beispielsweise zirkuläres Fragen kennt, welche Methoden sich anbieten, um den Körper ins Spiel zu bringen – um einen Perspektivenwechsel zu ermöglichen. Als erstes wäre da die Atmung zu nennen. Zum zweiten ist es die Stimme (Schreien). Und zum dritten ist es die Muskulatur (Kraft und Bewegung). Es bieten sich somit drei Brücken ins körperorientierte Erleben an.

Das zentrale Kapitel 4 beschreibt nun ausführlich und an vielen Beispielen illustriert, wie die Integration des Körpers in die systemische Praxis gelingt. Der erste Schritt besteht in der Erhöhung des energetischen Niveaus. „Gefühle sind immer auch ein energetisches Geschehen,“ kommentiert dies der Autor – und man fühlt sich unweigerlich an den Klassiker von Luc Ciompi erinnert (Die emotionalen Grundlagen des Denkens). Dabei geht es nicht bloß um eine emotionale Aktivierung an und für sich. Sondern diese sind auf einen Kontext bezogen, auf ein Beziehungsgeschehen. Und dieses wird aktualisiert, in dem es auf eine konkrete Situation fokussiert wird. In dieser erlebt der Klient sein Problem, ohne seine Ressourcen nutzen zu können.

Im vierten Schritt wird das Erleben durch Imagination erweitert und verstärkt. Dabei wird jedoch der Fokus auf Selbstgestaltungskompetenzen gelegt. Autor Wienands beschreibt das als ein Sowohl-als-auch: „Eine Konfrontation mit dem traumatischen Erleben und dem Kompetenzerleben.“ Die Rahmung durch ein Vorgehensmodell, das dem Klienten ermöglicht, iterativ in den Problemfokus einzutreten und diesen auch – zur Distanzierung und Reflektion – zu verlassen, eröffnet die Chance – auch jenseits der verbalen Sprache – zu experimentieren und erweiterte Handlungsmöglichkeiten zu explorieren. Das Unbewusste, das sich im Körper ausdrückt, kann als Ort der intuitiven Kompetenz erfahren und genutzt werden.

Der Autor praktiziert seinen Ansatz schon lange. Er scheint sich sehr bewährt zu haben. Für mich ist faszinierend zu sehen, welche Assoziationen und Parallelen sich ergeben: angefangen vom hypnosystemischen Ansatz eines Gunther Schmidt über das ZRM® und weitere körperorientierte Konzepte (Embodiment und Emotionen) bis in den Bereich des Arbeitens mit Symbolen und Ritualen (Coaching als Ritual). So dass für mich unweigerlich der Wunsch aufkommt, diese Fäden noch mehr miteinander zu verknüpfen. So entsteht die Idee, eines ganzheitlicheren Vorgehens – eben auch jenseits der Therapie in Coaching und Organisationsberatung.

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