INSPIRATION: Die Idee ist nicht neu, und ich dachte, die Erkenntnisse seien weiter gediehen. Offenbar versuchen gerade nach Corona noch mehr Firmen, Platz in den Büros zu sparen und stellen ihren Mitarbeitern immer weniger Schreibtische zur Verfügung. Problem: Wie sichert man sich seinen Lieblingsplatz? Muss man an den Tagen, an denen man vorhat, im Büro zu sein, besonders früh eintreffen, um bei der „Reise nach Jerusalem“ überhaupt einen Platz zu bekommen (Die Angst vor dem Mallorca-Effekt)?
Bei Vodafone Deutschland teilen sich in der Zentrale 18 Mitarbeiter 10 Schreibtische, in anderen Unternehmen soll es bald ähnlich aussehen. Die Einsparmöglichkeiten für die Firmen sind angeblich enorm: In Deutschland braucht jeder Mitarbeiter mit eigenem Schreibtisch ca. 30qm. Teilt man sich die Arbeitsplätze, könnten ca. acht Milliarden Euro Mietkosten eingespart werden. Das klingt verlockend (und für die Immobilienbranche erschütternd), aber die Sache hat so einige Nachteile. Nach einer Umfrage möchten sich nur 17% der Befragten ihren Schreibtisch teilen. Andere Forschungen haben herausgefunden, dass der kollegiale Umgang und die Identifikation mit der Firma leiden, es gibt „mehr Ablenkung, weniger Hilfe untereinander, mehr Misstrauen und weniger Unterstützung …“ Das ist das Gegenteil von dem, was man sich in der Regel erhofft: Nämlich mehr Austausch, mehr Kommunikation, mehr Kreativität.
Die Kosten dieser Nebenwirkungen kann man gegen die Einsparungen nicht so einfach gegenrechnen. Doch die Tücken liegen auf der Hand, wenn man mal genauer darüber nachdenkt: Wer bekommt eigentlich die besten Plätze? Derjenige, der zuerst erscheint? Ein wenig so wie im Tennis-Club: Man muss früh da sein, um überhaupt einen Platz zu bekommen. Da kehrt dann schon mal der eine oder andere wieder um, wenn er morgens im Stau steht.
Die Lösung der IT-ler
Ein Buchungssystem. Da kann man von zuhause seinen Platz reservieren. Aber wie lange im Voraus? Das führt zum Mallorca-Effekt, die Geschichte mit den Handtüchern auf den Liegestühlen. Clevere Lösung: Der Arbeitgeber legt fest, wie lange im Voraus man reservieren kann. Auch anstrengend: Da muss man sich ins System einwählen und hoffen, dass man beim Buchen der Schnellste ist.
Oder man macht es wie in Parkhäusern: Man kommt ins Büro, geht zu seinem Lieblingsplatz und, falls er noch frei ist, hält seinen Chip vor ein Lesegerät, gibt ein, wie lange man ihn besetzen will, dann wird im System mit einem roten Signal angezeigt, dass der Tisch belegt ist und mit grün, welche Tische noch frei sind. Hilft mir auch nicht so viel, wenn ich dann zu Hause sehe, dass noch fünf Plätze unbesetzt sind, aber wenn ich ankomme, alle vergeben sind.
Bei Brose hat man die Buchungssysteme wieder abgeschafft, auch den Rollcontainern geht es an den Kragen. Man versucht es jetzt mit klassischen Spinden, das spart noch mehr Platz. Und ganz witzig: Hat sich mal jemand überlegt, wie lange es dauert, bis jemand mit seiner Arbeit beginnt? Man sucht im Schnitt 18 Minuten nach einem freien Schreibtisch. Dann schließt man seinen Laptop an, stellt alles auf die eigenen Bedürfnisse ein, schaut sich um, wer denn heute neben einem sitzt, und schon ist locker eine Stunde vergangen.
Passt das System zu den Menschen?
Es gibt ein weiteres Phänomen: Menschen mögen Routinen. So wie man sich in der Kantine stets auf den gleichen Platz begibt und es nicht mag, wenn dort schon jemand sitzt, so geht es auch im offenen Büro zu: Irgendwann haben alle einen „Lieblingsarbeitsplatz“, man sucht sich immer den gleichen aus. Und vielleicht finden Mitarbeiter irgendwann auch ein eigenes Modell, die Zeiten untereinander so aufzuteilen, dass jeder zu seiner Lieblingszeit an seinem Lieblingstisch sitzt, und man kann die ganzen Systeme getrost vergessen.
Vielleicht sind die Kollegen bei Vodafone ja schon so weit. Angeblich sind nach einer internen Befragung 90% der Mitarbeiter mit dem Desksharing zufrieden. Irgendeinen Weg scheinen sie gefunden zu haben, damit es nicht morgens zum Kampf um die besten Plätze kommt.