7. Oktober 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Statusabhängig

KRITIK: Nach wie vor erfreut sich das Assessment Center großer Beliebtheit, sei es zur Auswahl neuer Mitarbeiter als auch zur Diagnose von Managementfähigkeiten, um den hoffnungsvollen Nachwuchs zu fördern. Die Qualität der Ergebnisse hängt natürlich stark von den Beobachtern ab, und die sind alles andere als objektiv.

Eine Studie mit 371 Teilnehmern, von denen 25 AC-Erfahrung besaßen, wollte herausfinden, welche Rolle zum einen der Status der anwesenden Beobachter spielt als auch deren Erfahrung (Wie Führungskräfte die Ergebnisse von Assessment Centern beeinflussen). Der Ablauf war wie folgt: Die Beobachter bekamen ein aufgezeichnetes Rollenspiel zu sehen und sollten das Verhalten auf einer 5-stufigen Skala einschätzen. Keine unübliche Methode, schließlich lässt sich nur messen, was in Zahlen zu erfassen ist (Ironie!). Ganz witzig: Das Rollenspiel war so gestaltet, dass bei den Kriterien jeweils die Stufe 4 die „objektiv richtige Bewertung darstellte.“ 


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Bei einem Drittel der Teilnehmer gab es keine Beeinflussungsversuche, bei einem weiteren Drittel wurden ihnen die Bewertungen eines Praktikanten zugespielt. Ein weiteres Drittel bekam die die Einschätzung ihres Vorgesetzten zu Gesicht. Und siehe da: Die letzte Gruppe erzielte das schlechteste Ergebnis. Soll heißen: Sie folgte eher der (absichtlich) falschen Einschätzung des Vorgesetzten. Und zwar unabhängig von der tatsächlichen Erfahrung in Sachen Beobachtung beim AC.

Wenig überraschend

Überrascht uns das? Nicht sonderlich. Ich kann mich gut an AC-Veranstaltungen erinnern, in denen der Chef am Tisch saß und alle gespannt darauf warteten, wie er wohl die Leistung der Delinquenten einschätzte. Da gab es wenige, die von seiner Meinung abwichen.

Wie löst man das Problem? Unter anderem natürlich dadurch, dass die Einschätzungen unabhängig voneinander gegeben werden, ist ja kein Hexenwerk. Noch eine Empfehlung: Sorgen Sie dafür, dass sich die Beobachter zwischendurch nicht über die Teilnehmer unterhalten. Dann erfahren sie nämlich doch, was der Chef so vom Kandidaten A hält, und vorbei ist es mit der Objektivität. Also am besten gar keine Diskussion, sondern nur Kreuzchen machen …

Die aber wiederum führen nur dann zum objektiv richtigen Resultat, wenn es  Verhaltensbeschreibungen je Bewertungsstufe gibt. Auch ein alter Hut. Da heißt es dann in Sachen Entscheidungsfähigkeit: „Beschließt, Präsentation allein zu machen“ (1), „zeigt mindestens zwei Lösungsvorschläge auf“ (3) oder „zeigt mindestens vier Lösungsvorschläge auf und bindet Gesprächspartner bei der Entscheidungsfindung ein“ (Höchstwert: 5).

Mehrperspektivität: Eine Illusion?

Ich sehe sie vor mir, die Beobachter, wie sie feststellen, dass Kandidat B tatsächlich vier Vorschläge macht und die anderen einbindet, leider aber alle vier Vorschläge utopisch sind und seine Ideen abgelehnt werden. Da tut sich jeder Beobachter schwer, ihm eine hohe Entscheidungsfähigkeit zu bescheinigen. Liebe Kollegen, versucht weiterhin, das AC und vor allem die Bewertungsmethoden zu verbessern. Man schafft es vielleicht irgendwie, dass alle Beobachter das Gleiche ankreuzen – aber mal ehrlich: Wozu braucht man dann noch mehrere Beobachter? Ist nicht gerade der Diskurs über die Kompetenzen wichtig? Ist „Mehrperspektivität“ nicht eine Chance?

Ein AC als „objektives Messinstrument“? Bringt mich nicht wirklich von meiner Haltung ab, dass das ganze Verfahren nicht sonderlich sinnvoll ist.

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