4. Oktober 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Unsichtbare Fesseln

INSPIRATION: Die Diskussion verfolge ich nun schon ziemlich lange, weil sie immer wieder auf das Gleiche hinausläuft: Ist der Mensch für selbstverantwortliches Arbeiten geschaffen oder braucht er klare Ansagen? So viel steht fest: Er benötigt Klarheit. Und das auf verschiedenen Ebenen.

Hierarchien haben ihre Schattenseiten, darüber sind sich alle einig. Dagegen kann man was tun. Die richtigen Führungskräfte auswählen, sie richtig schulen und entwickeln und sie durch Vorgaben, Zielvereinbarungen und Anreizsysteme so steuern, dass sie zum Wohle des Unternehmens ihre Mitarbeiter im Griff haben. Zumindest glauben das immer noch ganz viele, entsprechend wird geschult, trainiert gecoacht, Ziele vereinbart und Leitlinien verfasst.


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Schafft man sie ab und setzt auf Selbstorganisation, versprechen manche Vertreter der neuen Arbeit den „Himmel auf Erden“ (Vorsicht, Freiheit!). Aber ach, auch die Welt der Selbstorganisation hat ihre Schattenseiten. Der Beitrag in der managerSeminare beschreibt sie ziemlich anschaulich und nachvollziehbar, einiges davon kann ich bestätigen. Los geht’s:

  • Die Anfangseuphorie lässt schnell nach, die steigende Motivation wird durch Reibereien und Kämpfe um Einflussnahme gebremst.
  • Die High Performer üben Druck auf die weniger Leistungsfähigen aus, die sich ausgegrenzt fühlen.
  • Es droht die Gefahr der freiwilligen Selbstausbeutung. Weil es keine offiziellen Regeln gibt oder Chefs, die klare Grenzen setzen, entstehen implizite Regeln, die zu „unsichtbaren Fesseln“ werden. Nachvollziehbar, oder? Es bilden sich ungeschriebene Gesetze heraus wie z.B. „Man darf nicht vorzeitig Feierabend machen, weil man damit das Team im Stich lässt.“ Oder: „Persönliche Bedürfnisse sind den Team-Anforderungen unterzuordnen.“ Wohin wendet man sich, wenn man mit solchen Problemen nicht zum Chef gehen kann? (Nebenbei bemerkt: Wohin wendet man sich, wenn der Chef solche Regeln aufstellt?)

Diese Gefahren sind vor allem dann größer, wenn den selbstorganisierten Teams von oben Ziele aufgedrückt werden und hierauf keinen Einfluss haben.

Methoden helfen nur bedingt. Wenn sich die Teams regelmäßig vor dem Infoboard treffen, um die nächsten Schritte zu besprechen, kann das dazu führen, dass sich jeder gezwungen fühlt, Fortschritte und Erfolge zu vermelden, das „Daily Scrum“ verkommt zur „sinnlosen Leistungsschau“ (was in klassischen Hierachien natürlich selten vorkommt…)

Statt auf die Führung durch Führungskräfte zu setzen, bei der klar ist, wer entscheidet, könnte man klare Regeln einführen. Aber das menschliche Miteinander lässt sich nicht komplett durch Regeln steuern und lenken. Guter Punkt: Auch wenn immer wieder gesagt wird, dass sich Menschen im Privatleben ja auch um ihre eigenen Sachen kümmern und selbstständig handeln können – erfolgreich sind sie deswegen ja noch längst nicht, auch hier scheitern viele bzw. sind nur mäßig zufrieden.

Und schließlich das immer wieder geäußerte Argument: Selbst wenn Selbstorganisation funktioniert, dann ist das längst nicht für jeden etwas. Manche wollen nicht selbst denken und handeln, sondern mögen es, nach Vorgaben zu handeln. Sie haben „partout keinen Willen zur Mitgestaltung„.

Konsequenz daraus: Eine Organisation mal eben umzubauen ist mehr als riskant. Es braucht Begleitung, Training und die passenden Leute (Brutal euphorisch). Das ist eben der Unterschied zur Hierarchie. Das Leben nach Vorgaben von Autoritätspersonen lernen wir in der Schule – zuminest in den meisten Schulen. Nicht viel anders sieht es in der Ausbildung und dem Studium aus. Zwar kann auch hier jeder Mensch eigenverantwortlich denken und handeln, aber wenn er einen guten Abschluss haben möchte, stellt er Regeln und Methoden besser nicht in Frage.

Also müssen diejenigen, die das Bildungssystem verlassen, erst mal wieder „umgepolt“ werden. Beziehungsweise „auch so basale Techniken wie das sozialverträgliche Feedback erst noch lernen.“ Wohl wahr, oder? Wer vorher lieber den Mund hielt als einem Chef zu sagen, für wie sinnlos er dessen Entscheidung hielt oder wie verletzend er dessen Verhalten beim letzten Meeting empfunden hat, der wird sich auch in einem agilen Team nicht plötzlich mit einem dominanten Kollegen anlegen, der alles besser weiß.

Umgepolt ist vielleicht zu drastisch, begleitet vielleicht besser. Aber braucht Selbstorganisation Führung, wie die Autorin von „Vorsicht, Freiheit!“ schreibt? Kommt mal wieder auf die Definition von Führung an, ich mag „Begleitung“ oder „Unterstützung“ lieber. Und schließlich: Man braucht die richtigen Leute. Aber die braucht man immer, oder?

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